Chaosprinz Band 1
kauft zwei Gruppenkarten und dann warten wir auf die Bahn.
Entgegen Marias Befürchtungen sind noch jede Menge Sitzplätze frei. Ächzend hieve ich den schweren Rucksack von meinen Schultern und lasse mich erleichtert auf einen der Sitze fallen. Strahlend setzt sich Timmy mir gegenüber, Maria nimmt neben ihm Platz.
»Wo möchtest du sitzen, Emma?«, fragt Alex die Kleine, während er seinen Rucksack vor Marias Füße abstellt.
»Ich möchte auch am Fenster sitzen«, erklärt Emma mit einem Seitenblick auf Timmy.
»Du kannst am Fenster sitzen«, sage ich schnell »Ich kann mich auch zu Pa und Bettina in den anderen Vierer setzen.« Emma sieht mich mit ihren großen Augen an. Sie überlegt und ich will schon aufstehen.
»Nein, warte mal… wenn ich auf deinem Schoß sitze, kann ich auch rausgucken.« Sie steigt über die großen Rucksäcke, hält sich an meinen Knien fest und krabbelt auf meinen Schoß.
Ich helfe ihr ein wenig. Sie lehnt ihren Rücken an meine Brust und drückt ihre Nase an der Fensterscheibe platt. Ihre weichen, blonden Haare streifen mein Gesicht... Ich halte sie fest, damit sie nicht von meinem Schoß rutscht. Sie ist wirklich sehr klein und zierlich für ein fünfjähriges Mädchen. Ihre Gestalt wirkt wie ein Porzellanpüppchen, zart und zerbrechlich. Ich möchte sie beschützen…
Ein eigenartiges Gefühl. Ich habe noch nie irgendjemanden beschützt, in meinem ganzen Leben nicht. Aber dieses winzige, warme, süße Persönchen macht, dass ich mich stark und sicher fühle… wie ein großer Bruder…
»Sehen wir auch einen Löwen?« Timmy ist ganz hibbelig.
»Ja«, verspricht Alex lächelnd.
»Ich will keine Löwen sehen!« Emma schaut ihren Zwillingsbruder unsicher an. »Vor denen habe ich Angst, die können uns fressen!«
»Aber Emma, die Tiere sind alle hinter dicken Scheiben oder Gitterstäben, die können nicht raus«, erklärt Alex mit sanfter Stimme.
»Und wenn, dann brauchst du trotzdem keine Angst haben, denn Alex ist stärker als die Löwen und kämpft dann mit ihnen, gell, Alex?« Timmy strahlt seinen großen Bruder an. Ich muss ein bisschen grinsen.
»Nein, Timmy, ich bin nicht so stark wie ein Löwe… Kein Mensch ist das. Löwen sind sehr große und kräftige Tiere«, versucht Alex dem Jungen klarzumachen.
»Tsss, du könntest nicht mal gegen ein Erdmännchenbaby kämpfen, weil du Angst hättest, dass du dabei schmutzig wirst…« Spöttisch mustert Maria Alex, er funkelt sie böse an.
»Vielleicht kann er keinen Löwen besiegen, aber er würde es wenigstens versuchen! Also braucht ihre keine Angst zu haben, Emma und Timmy, wenn uns ein böser Löwe angreift, dann wird uns Alex, so gut er kann, verteidigen. Und das ist das Wichtigste!« Ich lächle die Kleinen aufmunternd an und schenke Maria dann einen kalten Blick. Sie verzieht nur kurz das Gesicht zu einer Grimasse, während die Zwillinge glücklich lächeln. Das Heldenbild, das sie von ihrem Bruder haben, ist nicht zerstört worden.
Eine Weile schweigen wir nun alle fünf. Ich beobachte Bettina und Pa, die einige Meter vor uns entfernt sitzen und sich leise unterhalten. Beide scheinen entspannt und gut gelaunt zu sein. Erleichtert atme ich aus. Wer weiß, vielleicht sind es wirklich diese Kleinigkeiten gewesen, die ihnen gefehlt haben, einfach mal etwas als Familie zu unternehmen, mal nicht an den Job zu denken, oder an irgendwelche Partys, Freunde und gesellschaftliche Verpflichtungen.
Pa erzählt etwas und Bettina muss lachen. Ein ehrliches Lachen. Dabei sieht sie aus wie ein junges Mädchen. So sieht man sie selten, unbeschwert und fröhlich. Sie ist sehr hübsch, wenn sie lacht, viel hübscher als Jasmin Eichel.
Er hat gesagt, dass die Affäre beendet ist, Pa hat es mir versprochen. Nun, zumindest ist er in der letzten Woche immer pünktlich um 18 Uhr zu Hause gewesen, ist doch schon mal ein Indiz dafür, dass er Jasmin nicht mehr getroffen hat, oder?
»Kinder, der nächste Halt ist Sendlinger Tor , da müssen wir raus.« Pa setzt sich seinen Rucksack auf den Rücken und hebt den schweren Picknickkorb, während Bettina und Maria jeweils einen der Zwillinge an den Händen halten. Ruckelnd hält die Bahn und wir steigen aus.
Pa führt uns direkt in die U-Bahnstation hinunter. Wir bleiben eng beieinander. Hier ist natürlich viel mehr los als bei uns. Vögel kann man keine hören, dafür aber das Rattern der Trambahnen und die anfahrenden und abbremsenden Autos.
Die U-Bahnen sind voll. Unzählige Leute sind
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