Chaosprinz Band 1
Alkohol bereits spüren, wie er durch meine Adern direkt in den Kopf fließt und alles schön wuschelig macht… »Und wenn du es ganz genau wissen willst: Mein Vater und meine Stiefmutter wissen nicht, wo ich bin. Sie denken, ich schlafe bei einer Freundin.«
Ich bin nicht stolz auf mich. Überhaupt nicht! Ich habe Bettina und Pa gesagt, ich würde nach der Schule gleich mit zu Lena gehen, um die ganze Nacht DVDs zu schauen und am nächsten Morgen gemeinsam zur Schule zu fahren. Lena war nicht sehr begeistert, als ich sie gestern um Hilfe gebeten habe. Sie hat Angst, dass es rauskommt. Auch Marc und Manu meinen, die Geschichte wäre sehr gefährlich und überhaupt nicht gut für das Vertrauensverhältnis zu meinen Eltern. Und nun mustern mich auch Jens und Janosch tadelnd.
»Was hätte ich denn sagen sollen, hä?«, frage ich etwas verzweifelt. » Hey, Pa, Bettina, darf ich bitte mit meinen homosexuellen Freunden, die alle um einiges älter sind als ich und die ihr nicht kennt, in einen Schwulenclub gehen, in dem es ganz viel hochprozentigen Alkohol gibt und wo mich, wenn ich Glück habe, ein fremder, halbnackter Mann beim Tanzen unsittlich berührt? «, frage ich mit verstellter Stimme und versuche, wie ein Kleinkind zu klingen, das nach einem Lutscher bettelt. Jens grinst und legt dann zustimmend den Kopf schräg.
Aber Janosch hat scheinbar nicht vor, mich so einfach davonkommen zu lassen. »Ich denke, du bist deinen Eltern gerade etwas näher gekommen.«
»Ja, eben. Ich habe Angst, dass alles kaputt geht, wenn ich ihnen nun erzähle, dass ich schwul bin. Unser Verhältnis ist zwar besser, aber alles ist noch so neu und unsicher. Wir sind unheimlich vorsichtig miteinander…« Ich senke seufzend den Blick auf die Bierflasche in meinen Händen.
»Ist doch klar, so schnell geht das nicht. Aber ihr seid auf einem guten Weg.« Janosch lächelt mich aufmunternd an.
»Eigentlich musst du dir keine Sorgen machen: Dir kann ja nichts passieren, du hast deinen Vater in der Hand. Ein Wort von dir über seine Affäre und er hat eine teure Scheidung am Hals…« Jens grinst böse.
Ich habe meinen Freunden von Pas Freizeitaktivitäten erzählt, als wir am Montag alle zusammen in Ludwigs Laden auf Bücherstapeln gesessen und Kekse gegessen haben.
»Was haben dir eigentlich Manu und Marc gesagt? Zum Thema Treue, meine ich…«
Jens Frage lässt mich stutzen. Verwirrt zucke ich mit den Schultern. »Was sollen sie denn schon groß sagen? Sie meinten nur beide, es wäre am besten, wenn ich mich so weit wie möglich aus der ganzen Geschichte raushalte.«
»Aha«, macht Jens vielsagend.
»Jens, muss das sein?« Janoschs Blick ist warnend.
Ich blinzle verwirrt vom einen zum anderen. Was ist denn los? Doch scheint mir weder Jens noch Janosch meine stumme Frage beantworten zu wollen. Während der eine sich noch ein neues Bier holt, nimmt mich der andere an der Hand und schleift mich runter auf die Tanzfläche. Janosch und ich stoßen zu Marc und Manu und gemeinsam genießen wir den tiefen Bass, der aus den Boxen dröhnt und lassen uns von der Hitze der menschlichen Körper, dem Schauspiel des Laserlichts und den vollen Klängen der Musik in eine andere Welt versetzen.
***
»Es ist mir jetzt scheißegal, wo der Penner steckt. Es ist halb vier! Eigentlich wollten wir schon längst zu Hause sein… Tobi muss morgen zur Schule und wir in die Praxis.« Marc ist sauer. Richtig sauer. Die Arme in die Hüften gestemmt, steht er mit funkelnden Augen vor Janosch, der ihn flehend anblickt.
»Ich weiß, ich weiß! Aber ihr habt ihm versprochen, dass ihr ihn nach Hause fahrt. Bitte, Marc, noch fünf Minuten…« Janosch schenkt seinem Freund einen Welpenblick und kramt dann sein Handy aus der Hosentasche. Er wählt Jens' Nummer. Zum gefühlt zwanzigsten Mal in den letzten dreißig Minuten.
»Wir warten schon eine halbe Stunde«, murrt Marc erneut. »Manchmal ist er unmöglich. Aber Hauptsache, er hat was zum Ficken…«
Ich lehne mich an Manus starke Schulter. Mann, bin ich müde! Meine Augen sind schwer, meine Arme sind schwer, meine Beine sind schwer, mein ganzer Körper ist schwer. Alles schwer! Ich höre den Bass immer noch, obwohl wir schon eine ganze Weile hier draußen vor dem Club herumstehen. Er wummert in meinem Kopf weiter.
»Ich will nicht mehr warten, verdammte Scheiße!« Marc dreht sich aufgebracht zu Manu und mir um. »Manu, hol das Auto und park vor dem Club. Janosch und ich gehen wieder rein und suchen den
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