Chaosprinz Band 1
rausreden, das habe ich schon damals nicht gemacht. Ich alleine trage die Verantwortung für das, was passiert ist. Es war dumm und verletzend, fertig, aus!«
Wir schauen uns lange in die Augen. Ich kann so viel ehrliche Reue in seinem Blick erkennen, dass mir ganz wehmütig ums Herz wird.
»Wer war der Kerl, mit dem du was hattest?«
»Ein Bekannter, wir haben ihn Jahre vorher auf irgendeiner Studentenparty kennengelernt. Aber eigentlich ist das auch total unwichtig. Es war nur ein einziges Mal und ich habe es Marc ein paar Tage später gebeichtet. Er ist daraufhin für zwei Wochen zu Uwe und Janosch gezogen, aber dann hat er mir verziehen…«
Ich nicke stumm, weiß einfach nicht, was ich dazu sagen soll.
»Tobi, was denkst du jetzt von mir?« Seine Stimme klingt ein bisschen ängstlich.
Ich blicke auf und lächele ihn an. »Was soll ich denn denken?«
»Bist du enttäuscht von mir?«
»Nein, ich bin ein bisschen überrascht, aber jeder hat seine Vergangenheit und es geht mich ja auch nichts an. Ich weiß, du willst niemandem wehtun und du liebst Marc.« Ich lächle ihn an und er erwidert diese Geste erleichtert.
In diesem Moment sehe ich, wie sich die rote Stahltür öffnet und Janosch und Marc heraustreten, in ihren Armen ein sehr betrunkener Jens. Sie müssen ihn stützen, fast tragen. Marcs Augen funkeln wütend, doch die Art und Weise, wie er immer wieder ruhig auf seinen Freund einredet, zeugt auch von Besorgnis.
Es hat ihn bestimmt sehr getroffen, als Manu ihm den Seitensprung gestanden hat. Er liebt diesen Mann. Marc ist kein Knuddeltyp, der seinem Freund alle fünf Minuten zeigen muss, wie gern er ihn hat, indem er ihn andauernd abknutscht oder befummelt. Und trotzdem sind seine Gefühle für den großen, sanften Mann mit den braunen Augen und dem attraktiven Dreitagebart nicht zu übersehen.
Stöhnend und ächzend hieven Janosch und Marc den betrunkenen Jens auf die Rückbank. Manu hilft ihnen dabei. Jens lässt sich mit einem Grunzen neben mich fallen und legt sofort seinen Kopf auf meine Schulter. Er stinkt nach Alkohol. Ich drehe seufzend den Kopf in die andere Richtung und schaue aus dem Fenster.
***
»Tobi, aufstehen!« Marcs Stimme. Ich brumme und kuschele mich tiefer in die warme Decke.
Fünf Minuten später: »Tobi, es ist halb acht. Du musst aufstehen!« Manu. Seine Stimme klingt sanfter, hallt in meinem Kopf wider. Ich nicke und vergrabe mein Gesicht in dem Kissen.
Weitere fünf Minuten später: »Tobias, hörst du schlecht? Beeil dich, du musst ins Bad und gefrühstückt hast du auch noch nichts.« Marc hört sich mittlerweile schon recht ungeduldig an. Ich ziehe mir die Decke über den Kopf.
Und noch einmal fünf Minuten: »Jetzt reicht's! Du stehst jetzt auf! Wer feiern und saufen kann, der kann auch aufstehen! Los!« Marc schnappt sich meine Decke und zieht an ihr.
Ich liege auf dem bequemen Sofa in Marcs und Manus Altbauwohnung. Hell scheint der noch junge Morgen durch die hohen Fenster des Wohnzimmers. Die Sonnenstrahlen lassen mich die Augen zusammenkneifen. Ich bin noch so müde. Das scheint Marc allerdings nicht sonderlich zu interessieren. Er zerrt weiter an der warmen und schützenden Decke und ich fauche ihn wütend an.
»Lass mich, ich schlafe noch.« Wir kämpfen eine Weile um das Stück Stoff und ich fluche laut, als Marc das Kräftemessen gewinnt. Stur lasse ich mich wieder auf das Kissen fallen, rolle mich wie ein kleines Baby eng zusammen und schließe schnell die Augen.
»Tobi«, droht Marc mit tiefer Stimme.
Ich schnarche laut.
»Hör auf mit diesen Albernheiten! Wir müssen in einer halben Stunde in der Praxis sein.«
Ich schnarche noch einmal.
»Ich werde dich nie wieder mit in den Club nehmen. Du bist einfach viel zu klein für so was!« Er will mich provozieren, doch ich ignoriere ihn.
»Tobias, mir ist das jetzt egal, ich schleppe dich auch an den Haaren zur Schule, so wie du jetzt bist. Mal sehen, was dein Alex sagt, wenn du in Boxershorts und völlig verpennt auf dem Schulhof liegst.«
Einen kurzen Moment lang stelle ich mir das Szenario vor… witzig. Ich glaube, Marc ist leicht überfordert. Er stöhnt und tritt ungeduldig von einem Fuß auf den anderen, das kann ich hören.
»Hier, Tobi, eine Tasse frischer Kaffee und nun steh auf.« Sanft erklingt Manus Stimme in meinem Ohr. Er betritt das Wohnzimmer. Der Duft von heißem, gebranntem Kaffee breitet sich in dem Raum aus.
Jauchzend springe ich auf und nehme dem lächelnden Manu die Tasse
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