Chaosprinz Band 1
um meinen ganzen Körper zum Kribbeln zu bringen. Ich schließe immer wieder die Augen, um das Gefühl noch intensiver genießen zu können.
Obwohl es ein Donnerstag und gerade mal kurz vor dreiundzwanzig Uhr ist, kann man sich auf der Tanzfläche des Zorro kaum noch richtig bewegen. Im Rhythmus der Musik lassen die zahlreichen, tanzenden Männer ihre Hüften kreisen, die Arme in der Luft, auf dem Gesicht ein gelöstes Lächeln. Ich bin einer von ihnen.
Grelle Laserstrahlen schwirren durch den Raum, erhellen hier und da die sich bewegenden Körper. Laut dröhnt die Musik aus den Boxen und in der Luft hängt dieser würzige Geruch der Nebelmaschine. Sie spielen gerade It's Raining Men, unterlegt mit einem starken Technobass. Die Menge tobt.
Ich weiß nicht mehr, wie er heißt. Er hat's mir natürlich gesagt, aber ich habe seinen Namen schon nach wenigen Sekunden wieder vergessen. Ist auch nicht so wichtig. Ich lächle den Typen vor mir an. Er ist groß, sehr schlank, ein bisschen schlaksig, hat dunkelbraune Locken und ein nettes Gesicht. Wir tanzen miteinander.
Vor ein paar Minuten hat er mich angesprochen, nachdem er mich schon einige Zeit beobachtet hat. Er hat gefragt, ob ich Lust hätte, zu tanzen, und ich habe Lust! Ich liebe es, mich zur Musik zu bewegen. Ich bin kein guter Tänzer, aber hier stört sich niemand an meinem Gezappel. Meine Hemmungen sind gefallen und nun fühle ich mich unheimlich frei und lebendig.
Der Typ kommt näher. Er ist nicht aufdringlich, darum lasse ich es zu. Er riecht ein bisschen nach Aftershave und Schweiß, was kein Wunder ist, schließlich herrschen in diesem Club geschätzte fünfzig Grad. Auch mein eigenes schwarzweiß gestreiftes Shirt ist schon ein wenig feucht. Mir ist sehr heiß und die Hände des Typen auf meinen Hüften sorgen auch nicht gerade für Abkühlung.
Er rückt noch etwas näher und drückt vorsichtig seinen schmalen Körper an meinen. Er lächelt mich mit roten Wangen an und ich grinse zurück. Ein tolles Gefühl, so angeschaut zu werden. Er hat Interesse an mir, das zeigt er ganz deutlich, und wer bitte schön stört sich denn daran, begehrt zu werden? Ich nicht!
Geschmeichelt lasse ich es zu, dass unsere Becken aneinandergepresst im selben Rhythmus kreisen, und langsam lege nun auch ich meine Hände auf seine Seiten. Ich kann die Hüftknochen unter meinen Fingern spüren. Doch dann bemerke ich die zwei tadelnden Augenpaare, die auf mir und meinem Tanzpartner ruhen. Mist, die beiden hatte ich schon fast vergessen!
Keine drei Meter von uns entfernt tanzen Marc und Manu. Die Arme umeinandergeschlungen, die Blicke stets und ständig auf mich gerichtet. Sie haben sich selbst die Aufgabe übertragen, auf mich aufzupassen. Das bedeutet, egal wo ich auch hingehe, sie hüpfen mir immer sofort in einem gewissen Sicherheitsabstand hinterher. Und wehe, es berührt mich einer unsittlich, heijeijei, dann ist aber was los…
Dabei müssen sie sich überhaupt keine Sorgen machen. Er scheint ja wirklich nett zu sein, der Kerl… Und trotzdem macht er mich so überhaupt gar nicht an. Er reizt mich nicht, kein bisschen. Schade, eigentlich! Ich bin mir sicher, er ist einer von den Guten. Einer von denen, die mich zur ersten Verabredung von zu Hause abholen würden. Am Ende des Abends begleitet er mich dann bis zur Haustür und bittet dort um einen ersten Kuss. Romantisch, respektvoll, aufmerksam und zärtlich. Ich seufze leise in mich hinein.
Grob reißen mich zwei Arme nach hinten. Ich stolpere fast, versuche, mein Gleichgewicht zu halten, und schaue mich erschrocken um. Jens hält mich fest umschlungen und presst mich an seine Brust.
»Hi, Kleiner«, raunt er mit tiefer Stimme in mein Ohr. Er gibt mir einen feuchten Schmatzer auf die rechte Schläfe. Sein Atem streift meine Wange, er riecht sehr stark nach Alkohol.
»Jens, seit wann bist du denn da?« Ich versuche, mich zu ihm umzudrehen, aber sein fester Griff lässt es nicht zu.
»Bin gerade erst gekommen…«, murmelt er etwas abgelenkt und mustert den Typen, mit dem ich bis eben noch friedlich getanzt habe und der uns nun völlig verwirrt und eingeschüchtert anstarrt.
»Dafür, dass du noch nicht lange hier bist, hast du aber schon eine ganz schöne Fahne.« Ich mache mich aus seiner Umklammerung los und schaue ihn ernst an.
»Du fängst schon an wie Marc.«
Er lacht und legt wieder den Arm um meine Schulter. »So, und nun verabschiede dich von deinem neuen Freund und komm mit mir zur Bar, ich hab Durst!«
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