Chaosprinz Band 1
augenblicklich in den Kopf.
»Ist das purer Alkohol?«, keucht Kim und mustert die Flüssigkeit in seinem Glas, ehe er zu lachen anfängt. »Wenn ich dieses Glas leer trinke, kann ich heute Nacht kein Auto mehr fahren…«
»Und ich nicht mehr geradeaus laufen«, huste ich.
»Na?« Manu gesellt sich zu uns, in der Hand eine Bierflasche.
»Finger weg von Janoschs Bowle, die ist tödlich«, raune ich ihm zu. Er muss lachen.
»Ihr habt eine tolle Wohnung«, lobt Kim höflich.
Manu bedankt sich lächelnd. »Für die gelungene Deko kann ich aber nichts, das ist alles Marcs Werk.« Er deutet auf die Kerzen und die Sitzkissen am Boden. »Tobi, Marc hat mich gebeten, dir auszurichten, dass er in der Küche deine Hilfe braucht…« Manu sieht mich vielsagend an. Ich stöhne. Mit anderen Worten, er hat seinem Freund befohlen, mich zur großen, unbarmherzigen Inquisition zu schicken.
»Kann er das nicht alleine machen?«, brumme ich.
»Nein.« Manu grinst mitleidig. »Nun geh schon, ich unterhalte mich inzwischen mit Kim…«
Toll, während ich von Marc in die Mangel genommen werde, wird der arme Kim von Manu ausgequetscht. Seufzend mache ich mich auf den Weg in die Küche. Hier ist es deutlich ruhiger. Marc steht an der Küchenzeile. Kurz schaut er auf, als er mich erkennt, senkt er den Blick wieder auf seine Schüssel. Ich gehe zu ihm, schlinge meine Arme um seinen Bauch und lege meinen Kopf auf seine Schulter.
»Hab ich wieder was falsch gemacht?«, frage ich seinen Rücken.
»Ich hoffe nicht«, lautet die Antwort. Ich schweige. Marc rührt weiter in einer runden Schüssel. Dann legt er den Schneebesen beiseite und dreht sich langsam um. Ich lasse ihn los.
»Wer ist das?« Er mustert mich ernst.
»Kim aus Hamburg.« Ich angle mir eine Gurkenscheibe und stecke sie mir in den Mund.
»Das hast du bereits gesagt. Geht die Geschichte auch noch etwas weiter?«, fragt er ungeduldig und verschränkt die Arme vor der Brust.
»Du hast es doch vorhin gehört. Wir haben über zehn Jahre lang nebeneinander gewohnt und nun haben wir uns hier wieder getroffen…« Ich kaue auf dem grünen Gemüse herum.
»Und das ist alles?«
»Hm… ja…«
»Tobi…« Ein strenger Blick. Ich seufze und verdrehe die Augen.
Ich weiß, mit halbherzigen Ausreden gibt sich Marc nicht zufrieden, und darum erzähle ich ihm alles. In wenigen, knappen Worten berichte ich von meiner Teenieschwärmerei, dem alkoholgetränkten Geburtstagsgeschenk und Kims plötzlichem Auftauchen in München.
»Er ist schwul und steht auf dich«, schlussfolgert Marc eiskalt. Ich nicke. »Und jetzt?« Marcs Blick ist immer noch prüfend.
»Was jetzt?«, murmle ich abweisend.
»Was wirst du nun tun?«
Ich zucke mit den Schultern. Keine Ahnung.
»Tobi…« Ich hasse dieses Tobi … Der Ton, in dem er meinen Namen sagt…
»Mensch, Marc, lass mich in Ruhe«, unterbreche ich ihn.
Doch Marc lässt sich nicht beirren. »Du musst dir doch im Klaren darüber sein, was du hier gerade tust.«
»Was tue ich denn?«, frage ich bissig.
»Du stürzt dich Hals über Kopf in eine neue Geschichte hinein, obwohl die alte noch gar nicht abgeschlossen ist.« Marc stemmt die Hände in die Hüften.
»Ich stürze mich nirgends hinein«, zische ich trotzig.
»Dann gibt es zwischen euch kein Knistern, keine Funken, die sprühen? Ihr seht einander nur als alte Freunde, die sich durch einen lustigen, kleinen Zufall wieder getroffen haben?« Spott in seiner Stimme.
»Hm…« Wütend gehe ich in der großen Küche auf und ab. Die heitere Musik aus dem Wohnzimmer erscheint mir störend, macht mich nur noch aggressiver.
»Erstens ist die andere Sache« – mein Herz tut weh – »beendet. Zweitens habe ich das alles ja nicht geplant. Kim stand einfach vor meiner Tür. Und drittens: Du bist es doch immer, der sagt, ich soll loslassen, akzeptieren und weitermachen.«
Marc hält mich am Arm fest, stoppt meine Unruhe und zwingt mich, ihn anzusehen. »Erstens, zwischen Alex und dir ist nichts beendet! Zweitens: Ich kenne dich. Du sehnst dich nach Nähe und Zärtlichkeit und denkst, wenn du es nur intensiv genug versuchst, dann wirst du Alex vergessen und Kim lieben. Schwachsinn! Und drittens: Ja, du sollst weiterleben, du sollst den Schmerz verarbeiten, aber doch nicht nach einer knappen Woche. Du brauchst noch sehr viel mehr Zeit und die musst du dir auch ganz bewusst nehmen.«
Ich spüre heiße Tränen. Sie sammeln sich in meinen Augen. Mir ist hundselend. Ruckartig reiße ich mich
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