Chaosprinz Band 1
Ich kann auch nichts dafür… Es ist mein Körper, er macht sich selbstständig…
Ich stelle ihm ein Bein. Er strauchelt, verliert fast das Gleichgewicht, macht einen ungelenken Schritt nach vorne und… und stößt Anja unabsichtlich von sich… Sie fällt auf die Knie, ein allgemeiner Aufschrei. Ich zucke zusammen und verstecke mich, so schnell ich kann, hinter Martin. Tödliche Blitze funkeln in Alex' Augen. Er versucht, mich anzusehen, doch ich mache mich ganz klein und ziehe unablässig an Martin herum, damit er ja stehen bleibt und mich verdeckt.
Die anderen helfen Anja auf. Sie lacht. Ihre Wangen sind zartrosa.
»Nichts passiert, nichts passiert«, lächelt sie verlegen. »Bist du gestolpert?« Sie sieht ihren Freund unsicher an. Er hat sich nicht mal gebückt, um ihr beim Aufstehen behilflich zu sein. Sein Blick ist immer noch wie gebannt auf Martin gerichtet. Naja, viel eher auf die Person, die sich hinter ihm versteckt.
»Was? Ach ja, ich bin gestolpert. Tut mir sehr leid, Süße. Hast du dir was getan?« Er versucht, sie anzulächeln, doch er ist immer noch viel zu wütend.
»Nee, schon okay.« Sie greift nach seiner Hand und zieht ihn sanft mit sich.
»War das nötig?« Lena kneift mir grob in den Oberarm und Martin versucht, sich angepisst aus meinem Klammergriff zu befreien.
»Ich wollte nicht, dass sie hinfällt… Ich wollte, dass er hinfällt!« Ich kaue mit roten Wangen auf meiner Unterlippe herum.
»Tobi, du bist so was von unmöglich«, schimpft Lena. »Sei bloß froh, dass die anderen es nicht richtig mitbekommen haben. Wenn sie gesehen hätten, dass du es warst, der Alex das Bein gestellt hat…«
Darüber möchte ich lieber gar nicht nachdenken. Ich versuche, nicht in Alex' Reichweite zu kommen, und weiche seinem Killer-Blick ständig aus.
Als die Schulglocke das Ende des Unterrichts einläutet, atme ich erleichtert aus. Ich habe den Montag in all seiner Dramatik überstanden. Nun beginnt der schöne Teil des Tages. Ich freue mich auf Ludwig, den Laden, die Arbeit und… und auf mein Date mit Kim. Kim…
»Fährst du mit der U-Bahn zur Arbeit?«, fragt Lena und packt ihre Tasche.
»Hm, ja.« Ich nicke.
»Dann hast du ja noch ein bisschen Zeit. Ich muss mich beeilen, der Bus fährt in ein paar Minuten.« Sie lächelt mich an, drückt mir einen Kuss auf die Wange und eilt zur Tür. Martin winkt und folgt ihr schnell.
»Bekomme ich von dir keinen Kuss?«, rufe ich ihm frech hinterher. Er streckt mir die Zunge raus. Ich lege mir den Tragegurt meiner Tasche über die Schulter und mache mich langsam auf den Weg zur Tür.
»Meine Mutter hat mich gebeten, dir auszurichten, dass sie aus Versehen deinen Föhn eingepackt hat. Sie wird ihn dir dann beim nächsten Mal zurückgeben.« Alex steht vorne am Lehrerpult und spricht sehr leise mit Jasmin. Ich lausche.
»Danke, Alex, lieb von dir«, säuselt Jasmin. Wahrscheinlich schenkt sie ihm gerade wieder eines dieser nicht jugendfreien Lächeln.
»Du, ich habe mir eben das Bild angesehen, dass du gemalt hast.« Sie senkt ihre Stimme vertraulich.
»Und?« Er klingt genervt.
»Ich verstehe das nicht. Wir haben ja schon öfters darüber gesprochen. Du hast wirklich Talent. Ganz ehrlich. Aber deine Bilder sind immer so statisch, so korrekt. Du erfüllst immer ganz genau die Aufgabe, aber gehst niemals darüber hinaus. Warum unterdrückst du dein Können? Warum gibst du nicht alles?«
»Ich weiß nicht, wovon du sprichst.«
»Doch, das weißt du!«
»Ich habe jetzt leider keine Zeit mehr. Ich muss… ich muss Tobias zur Arbeit fahren.« Ich bleibe an der Tür stehen, drehe mich mit großen Augen um und sehe ihn an. Was?
»Hm… Dann wünsche ich euch einen schönen Tag und grüßt eure Eltern von mir.« Jasmin hebt kurz die Hand und lächelt. Ich nicke ihr zu und werde dann von Alex aus dem Klassenzimmer gezerrt.
»Lass mich…« Zornig versuche ich, meinen Arm aus seinem Griff zu befreien. »Du tust mir weh!«
»Wenn das so ist…« Er drückt noch etwas fester zu.
»Aua…«, jammere ich.
»Alex«, ruft eine hohe Mädchenstimme hinter uns. Wir bleiben stehen. Anja beeilt sich, uns einzuholen.
»Kommst du nicht mehr mit in die Stadt? Wir wollten was essen gehen. Vielleicht Pizza oder so?« Ihr Blick hat etwas Flehendes.
»Geht leider nicht. Ich muss Tobi zur Arbeit fahren.« Alex zuckt entschuldigend mit den Schultern. »Naja, dann sehen wir uns eben heute Abend«, meint Anja und gibt ihrem Freund einen kleinen Kuss auf die
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