Chaosprinz Band 1
ins Ohr. Blöde Kuh!
»Kein Problem! Ich werde mich heute von meiner kultivierten Seite zeigen und ihnen Beethovens Freude, schöner Götterfunken vorrülpsen.«
Maria zwickt mich unauffällig in den Oberarm und ich verziehe schmerzvoll das Gesicht.
»Aufhören, alle beide«, zischt Bettina und geht dann mit ausgestreckten Armen auf ihre Eltern zu.
»Hallo, Liebes!« Frau Pohlmann haucht ihrer Tochter links und rechts ein Küsschen auf die Wange. Sie ist eine ausgesprochen attraktive Frau, trotz ihres fortgeschrittenen Alters. Das weiße Haar ist sehr gut frisiert, die Nägel sind manikürt, die Kleidung scheint teuer und sitzt perfekt. Nur das Lächeln in ihrem dezent geschminkten Gesicht wirkt gekünstelt und gezwungen.
Ihr Mann ist sehr groß. Auch er hat weißes Haar. Sein Anzug ist etwas altmodisch, unterstreicht aber seine würdevolle und beeindruckende Ausstrahlung. Die strengen, wachen Augen können bestimmt sehr einschüchternd dreinblicken…
Nachdem beide ihre Tochter begrüßt haben, wenden sich die Pohlmanns uns anderen zu. Ich spüre ihre neugierigen Blicke, die an mir hängen bleiben.
»Erwin, Lydia, darf ich euch meinen Sohn Tobias vorstellen?« Joachim hat mir die Hand auf die Schulter gelegt. Die beiden Alten betrachten mich von oben bis unten.
»Er sieht dir ähnlich.« Lydia mustert mich streng, als wäre ich ein altes Kunstwerk, das sie auf irgendeiner Auktion ersteigern will. »Die Farbe der Haare… und natürlich die Augen…«
»Tobias.« Erwin schüttelt meine Hand. »Schade, dass wir uns jetzt erst kennenlernen.«
Eine kurze, sehr peinliche Pause entsteht. Mit einer knappen Handbewegung deutet Erwin auf die freien Stühle und wir tun, wie uns befohlen worden ist, und setzen uns an den runden Tisch. Als wir beide gleichzeitig unsere Stühle nach hinten ziehen, stoßen Alex und ich mit den Ellbogen aneinander. Er schnaubt leise.
»Tut mir leid, hab ich dir wehgetan?« Ich meine es wirklich ehrlich, am liebsten würde ich den dummen Streit von vorhin einfach rückgängig machen.
»Ja, hast du. Das schreib ich nachher gleich in mein Tagebuch.« In seiner geflüsterten Antwort schwingt unterdrückte Wut mit. Wir sind wohl etwas nachtragend, wie?
»Mensch, Alex, ich hab doch schon gesagt, es tut mir leid!« Ich weiß selber nicht so genau, ob ich nun den Streit von vorhin oder den kleinen Stoß von eben meine. »Was soll ich denn noch machen?«
»Meine Herren? Dürfen wir alle an eurem Gespräch teilhaben? Ich bin mir sicher, es ist sehr interessant.« Erwins laute Stimme lässt uns auseinanderfahren. Der Rest der Familie sieht uns teils neugierig, teils warnend an.
»Nein, Großvater, es ist nichts Wichtiges.« Alex senkt den Blick und legt sich mit eisiger Miene seine Serviette auf den Schoß. Ich schüttle nur meinen roten Kopf und folge dann Alex' Beispiel. Dabei fällt mir siedend heiß ein, dass ich gar nicht weiß, wie man sich in einem feinen Restaurant eigentlich zu benehmen hat. Ich starre auf die seltsamen Messer neben meinem weißen Porzellanteller.
»Ich habe für uns alle den Schellfisch auf Lauch mit Brie-Plätzchen bestellt. Ich hoffe, dass jeder damit einverstanden ist.«
Ich hebe den Blick und schaue direkt in die Augen von Erwin Pohlmann. Sein musternder Blick macht mich nervös. Ich zwinge mich zu einem schnellen Lächeln und schaue dann wieder auf meinen leeren Teller.
»Vater, ich weiß nicht, ob Timmy und Emma Schellfisch essen…« Bettinas Einwand ist leise und ungewohnt hoch. Sie hört sich an wie ein kleines Mädchen.
»Ach was, Schellfisch ist doch lecker! Timmy, Emma, ihr werdet das bestimmt mögen.«
Ich bin mir da nicht so sicher und auch die Zwillinge verziehen bei dem Wort Fisch misstrauisch die Gesichter.
»So, nun sind wir aber ein bisschen neugierig: Tobias, wie geht es deiner Mutter? Wo ist sie denn noch gleich? Irgendwo in Afrika, oder?« Lydia unterbricht die Essensdiskussion und lächelt mich an.
Joachim, der neben seiner Schwiegermutter sitzt, atmet nervös ein. Er hat wohl Angst, ich würde jetzt irgendwelche peinlichen Alt-Hippie-Geschichten erzählen, vielleicht von damals, als Ma, Inge und ich eine Woche lang mit dem Wohnmobil hinter Bon Jovi hergereist sind, als die auf ihrer Deutschlandtour gewesen sind, oder von der Castor-Demo, bei der sich Ma unsterblich in einen der Polizisten verliebt hat.
»Meine Mutter lebt momentan in Äthiopien, im Omo-Nationalpark. Das ist ganz in der Nähe der Grenze zum Sudan. Gordon, der Freund
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