Chaosprinz Band 1
verzieht, muss dieser ziemlich fest zudrücken.
Martin reibt sich die roten Finger und schaut auf. Er sieht mich. Ich kann die Rädchen in seinem Hirn förmlich rotieren hören, sehr langsam, aber immerhin: Er erkennt mich wieder.
»… unsere Zwillinge, Tim und Emma…« Die Kleinen werden nach vorne geschubst und lassen sich die Fingerchen zerquetschen. » … und das ist…«
So, jetzt wird's spannend! Joachim schaut mich einige Sekunden fast schon Hilfe suchend an. Was will er denn von mir? Soll ich sagen, ich bin ein entfernter Cousin aus Amerika oder der sizilianische Austauschschüler? Ich bleibe stumm und schaue ihm nur weiter in die Augen. »Das ist Tobias, mein Sohn aus einer früheren Ehe.«
Wow! Wir zucken alle zusammen – nicht die Klimmers, die gucken ein bisschen überrascht, bleiben aber sonst ruhig – aber Bettina, Alex, Maria, ich und sogar die kleinen Zwillinge sind richtig zusammengefahren.
Es ist fast, als hätte uns Joachim mit dieser Nachricht richtiggehend schockiert. Ja, jetzt hat er es zum allerersten Mal ausgesprochen. Laut und deutlich.
Ich bin sein Sohn, ich bin Teil dieser Familie. Ein wahrlich historischer Moment. Und wieder hat keiner einen Fotoapparat dabei.
»Ich glaube, Sie haben nie erwähnt, dass Sie schon mal verheiratet waren und noch einen Sohn haben…« Klimmer mustert mich interessiert.
»Tobias lebte bei seiner Mutter in Hamburg. Wir haben uns leider nur sehr selten gesehen.« Joachim hofft wohl, das Gespräch mit dieser vagen Erklärung beenden zu können, und tatsächlich streckt ihm Klimmer auch sofort seine große Hand hin, nicht ohne mir vorher kumpelhaft durchs Haar zu wuscheln.
»Sie müssen uns unbedingt bald besuchen kommen, dann grillen wir oder spielen eine Runde Golf… und bringen Sie ja Ihren neuen Sohn mit.«
Joachim nickt schnell und nach einer weiteren Runde Händeschütteln verabschieden wir uns von den Klimmers.
»Kommt, beeilt euch, wir sind ja sowieso schon spät dran.« Bettina schiebt Alex und Maria in Richtung Aufzug und versucht, während des Gehens meine ruinierte Frisur zu retten.
»Das war mein Chef«, erklärt mir Joachim. Ich nicke leicht. Interessant…
»Der gleiche Chef, der dich angerufen hat, als du mit mir beim Einkaufen warst? Du weißt schon, als wir Noresund gekauft haben…«
»Tobi, es ist ein Bett, also nenn es bitte auch einfach nur Bett , und ja, der Telefonanruf kam von Herrn Klimmer.«
Ich starre ihn immer noch an, sage aber kein Wort. Wenn dieser Dicke eben Herr Klimmer gewesen ist, wie konnte er dann Joachim vom Büro aus anrufen und gleichzeitig mit seiner dürren Frau und dem langweiligen Martin im Ikea über die neusten Bettgestelle streiten? Ein böser Zwillingsbruder? Oder hat Joachim gar keinen Anruf bekommen und das alles nur als Ausrede genutzt, um mich loszuwerden…?
»Er spannt dich ganz schön ein! So oft, wie du in den letzten Wochen spät arbeiten musstest und die ganzen Wochenenden.« Bettina versucht immer noch, mein Haar zu richten.
»Klimmer kann da nichts für… alles Entscheidungen von oben.«
Im Aufzug herrscht das charakteristische Schweigen. Bettina kann gar nicht mehr die Finger von meinen Haaren lassen und nun fängt auch noch Maria an, meinen Hinterkopf zu toupieren.
»Was machst du denn da? So wird's doch nur noch schlimmer!« Na toll, Alex' Kommentar ist ja wirklich aufbauend.
»Jetzt ist es sowieso zu spät, lasst es, wie es ist! Wir sind da.«
Ich schaue meinen Vater von der Seite an. Zupft nur alle an mir rum, wie es euch passt, und sprecht über mich, als wäre ich gar nicht da, kein Problem. Es kann euch ja Gott sei Dank nicht hören!
Die Tür des Aufzugs öffnet sich und ein langer Gang erscheint vor uns. Ein Ober eilt herbei, begrüßt Joachim und Bettina und führt uns in den Eingangsbereich des Restaurants und von da aus in den Speisesaal.
Auch in diesem großen Raum sind die Wände mit dunklem Eichenholz vertäfelt. Goldene Kronleuchter hängen von der Decke und gedämpfte klassische Musik ertönt aus unsichtbaren Boxen. Die Kellner sind komplett weiß gekleidet und schweben wie stumme Geister von Tisch zu Tisch.
Alles ist so furchtbar fein und ich bin so grässlich nervös. Unsicher versuche ich, meine feuchten Hände an der neuen, schwarzen Stoffhose abzureiben – mit mangelndem Erfolg. Der Ober führt uns zielstrebig an einen großen Tisch in der Mitte des Raumes, an dem bereits das Ehepaar Pohlmann sitzt und wartet.
»Blamier uns nicht«, zischt mir Maria
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