Chaosprinz Band 2
nicht gerade begeistert. Am liebsten würde er so wenige Leute wie nur möglich in seine kleine, private Lebenskrise mit einbeziehen, doch Tom ist sein engster Vertrauter und sollte schon über unsere Flucht informiert werden.
Ich schreibe den beiden jeweils eine SMS, in der ich ihnen mitteile, dass wir für ein paar Tage verreist wären. Es dauert keine Minute und schon klingelt Alex' Handy.
»Das ist Tom«, weissage ich.
Alex stöhnt. »Geh du ran, ich muss fahren.«
»Okay.« Ich schnappe mir sein Handy und nehme den Anruf an.
»Hi, Tom, hier ist Tobi.«
»Oh mein Gott«, kreischt es am anderen Ende der Leitung. »Dann ist das also wirklich wahr? Ich dachte, du willst mich verarschen.«
»Nein, es ist wahr…«
»Geil!« Tom ist begeistert. »Aber ich bin schon ein bisschen beleidigt, weil Alex mir vorher nicht Bescheid gesagt hat, dass ihr zusammen durchbrennt.«
»Wir brennen nicht durch«, korrigiere ich ihn lachend und Alex verdreht die Augen. »Das war nicht geplant.«
»Ach so… Ich verstehe, ihr seid der Leidenschaft des Augenblicks verfallen«, raunt er mit gespielt sinnlicher Stimme. »Nachdem du Kim abgeschossen hast und endlich wieder frei warst, konntet ihr euch einfach nicht mehr zurückhalten. Und nun versteckt ihr euch an einem geheimen Ort, um euren erotischen Begierden nachzugeben…«
Ich muss lachen und werde gleichzeitig ein bisschen rot. »Spinner, für unsere Reise gibt es ganz andere Gründe…«
»Was quatscht er da?«, fragt mich Alex, der ja nur eine Seite unseres Gesprächs mitbekommt.
»Er redet von Leidenschaft des Augenblicks und erotischen Begierden und so 'nem Kram«, erkläre ich grinsend.
»Der Typ muss echt mal eine Therapie machen…«, murmelt Alex kopfschüttelnd.
»Wo soll es denn hingehen?«, fragt Tom gutgelaunt.
»Hm, also ich möchte ja unbedingt nach Dubai, aber Alex hat scheinbar keine Lust auf Sonne, Strand und Meer.« Bei dem Wort Dubai stöhnt Alex gequält.
»Wer braucht denn schon Sonne, Strand und Meer? Das Wichtigste ist, dass es an eurem geheimen Fluchtort ein schönes, großes Bett gibt…«, stichelt Tom weiter.
»Du kennst nur dieses eine Thema, oder?«
»Jeder redet am liebsten über das, was er am besten kann«, meint er frech.
Ich spare mir einen Kommentar und belasse es bei einem tiefen Seufzer.
»Was soll ich den anderen in der Schule erzählen?« Toms plötzlicher Themenwechsel überrascht mich. Ich sehe Alex an und überlege einige Sekunden.
»Sag ihnen, wir hätten eine Familienangelegenheit zu klären«, antworte ich schlicht.
»Okay… Tobi?« Plötzlich klingt Tom nicht mehr ganz so albern. »Ist was Schlimmes passiert?«
»Nichts, was wir nicht wieder hinbekommen werden«, beruhige ich ihn schnell. »Alex wird dir noch alles genauer erklären.«
»Gut.«
Wir verabschieden uns und ich lege auf.
»Er sorgt sich um dich«, meine ich an Alex gewandt.
»Hm…«
»Und er wird nicht der Einzige sein. Bitte versprich mir, dass du so schnell wie möglich mit deiner Mutter reden wirst.«
»Hm…« Er starrt geradeaus, starrt auf die Fahrbahn. Ich mustere sein Profil. Er wirkt angespannt. Mit zusammengezogenen Augenbrauen und finsterer Miene konzentriert er sich auf den Verkehr. Ich kann sie förmlich hören, die düsteren Gedanken, die hinter seiner Stirn rufen und toben.
***
Unsere Reise führt nicht nach Dubai. Auch nicht nach Moskau. Oder Florenz.
»Ich weiß nicht, warum du dich ständig beschwerst, das Allgäu ist doch nett«, meint Alex.
»Na ja…«
Wir fahren durch ein kleines Bauerndorf in der Nähe von Kempten. Es riecht nach Kuhmist. Die Straße ist eng und besteht aus Schotter. Alex muss abbremsen, weil eine Entenfamilie unseren Weg kreuzt. Die Vögel lassen sich viel Zeit beim Überqueren der Straße, machen alle paar Meter Halt und quaken fröhlich miteinander.
»Wir haben hier eine Hütte«, erklärt mir Alex ganz beiläufig.
»Ich dachte, ihr würdet zum Skifahren immer nach St. Moritz fahren?«, erwidere ich verblüfft.
»Ja, aber da wohnen wir meist im Hotel«, erklärt er. »Auf Sylt und Mallorca und im Allgäu haben wir Ferienhäuser.«
»Wie bescheiden«, frotzle ich.
»Spar dir deinen kleinbürgerlichen Spott, Bambi. Das reiche Spießertum hat auch Vorteile, die dir jetzt auch zugutekommen«, stutzt er mich zurecht.
Ich schweige, muss ihm im Stillen aber recht geben. Steil schlängelt sich die Straße die Hügel hoch. Vorbei an vereinzelten Höfen, Scheunen und Weiden. Alex kennt sich hier aus,
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