Chaosprinz Band 2
total hoffnungslos. Wenn ich dich nicht weggestoßen hätte, würdest du jetzt wohl immer noch auf meiner Brust schlafen.«
Mein Kopf tut weh. Ich taste ihn vorsichtig ab und fühle eine kleine Beule unter dem dichten Haar.
»Danke auch«, murre ich und reibe mir den Schädel.
Alex erwidert nichts, er öffnet die Autotür und steigt aus. Ich brauche noch ein paar Sekunden, ehe ich mich richtig orientieren kann. Gähnend streiche ich mir das lange Haar aus dem Gesicht, suche am Boden nach meinen Schuhen und steige schließlich ebenfalls aus dem Wagen. Mein Rücken schmerzt, mein Nacken schmerzt und mein Kopf schmerzt.
Alex scheint es nicht wirklich besser zu gehen. Er streckt seine verspannten Glieder und reibt sich immer wieder massierend den Nacken.
»Ich glaube, ich habe noch nie so schlecht geschlafen«, murmelt er.
»Ja…«, stimme ich leise zu. Ich würde jetzt gerne ein Badezimmer aufsuchen. Zähne putzen und duschen. In frische Klamotten schlüpfen und dann einen leckeren, heißen Kaffee genießen. Stattdessen stehe ich hier, mit zerknitterten Klamotten, verwuscheltem Haar und schlechter Laune und Alex neben mir geht es genauso beschissen.
»Kurz nach sechs Uhr«, meint Alex und schaut auf das Ziffernblatt seiner Armbanduhr.
»Aha.« Ich bin morgens alles andere als gesprächig.
»Ich glaube, zu der Tankstelle dort vorne gehören auch ein Laden und ein Restaurant.« Alex betrachtet das Gebäude auf der anderen Seite des Parkplatzes. Zielstrebig öffnet er den Kofferraum und sucht in seiner Tasche nach einem neuen Pullover. Lustlos folge ich seinem Beispiel, krame ein bisschen in meinen Sachen herum und entscheide mich schließlich für einen grauen Kapuzenpulli.
»Kann ich mal deine Haarbürste ausleihen?«, fragt mich Alex.
»Haste deine nicht dabei?«
»Nein.«
»Hab ich's doch gewusst«, grinse ich triumphierend. »Und du hast dich noch aufgeregt, weil ich so lange beim Packen gebraucht habe.«
Er verzieht genervt das Gesicht und reißt mir die Bürste aus der Hand, als ich sie ihm reiche. Im Schutz des Wagens wechsle ich mein Shirt. Der Parkplatz ist immer noch sehr leer. Doch das stetige Summen und Zischen, das von der Autobahn herüberschallt, lässt auf reichlich Verkehr schließen.
Es hat aufgehört zu regnen. Die Bäume, Büsche und Gräser sind nass. Kaum ein Blatt hängt mehr an seinem Ast. Der starke Wind hat sie heruntergeweht. Nun liegen sie durchweicht und zermatscht auf der Erde.
Der Himmel ist wolkenlos. Es wird bestimmt ein schöner Tag. Einer der letzten schönen Herbsttage. Ich atme tief ein. Trotz der nahen Autobahn liegen kein Motorengestank und kein Geruch nach Abgasen in der Luft. Es riecht frisch und sauber… Wie gereinigt, wie nach einer langen Dusche…
»Haare kämmen, Bambi!« Alex reicht mir die Bürste. »Du siehst aus wie Struwwelpeter.«
Ich nehme die Bürste entgegen und versuche, das Chaos auf meinem Kopf zu ordnen.
»Und jetzt?«, frage ich.
»Jetzt holen wir uns was zum Frühstücken und dann geht es weiter«, meint Alex und holt zwei Wasserflaschen aus seiner Tasche. Die hat er auch nur eingepackt, weil ich ihn daran erinnert habe.
Als wir soweit gerichtet sind, dass wir uns wieder unter Menschen wagen können, machen wir uns auf den Weg zu der großen Tankstelle. Einige Wagen parken vor dem Gebäudekomplex und Autos stehen an den Zapfsäulen. Pendler, Fernfahrer und vereinzelt auch Urlauber haben alle denselben Wunsch: einen starken Kaffee und die neueste Zeitung.
Alex und ich betreten den Laden. Aus versteckten Lautsprechern schallen die Verkehrsnachrichten irgendeines bayerischen Radiosenders. Etwas ziellos schlurfen wir durch die langen Regalreihen. Alex geht voran, er mustert die ausgestellte Ware, bleibt immer wieder stehen und betrachtet den einen oder anderen Artikel genauer.
Es ist komisch, ich weiß nicht, wo dieses Gefühl gerade herkommt, aber mir fällt in diesem Augenblick auf, dass wir zum ersten Mal etwas alleine machen. Wir waren auch vorher schon hin und wieder allein – bevorzugt, wenn wir miteinander geschlafen haben… Aber wir haben noch nie etwas miteinander unternommen. Immer waren Familie oder Freunde dabei.
Hier und jetzt sind wir vollkommen frei. Wir können so sein wie wir sind. Wir lernen einander ganz neu kennen. Und es macht mir Angst. Was ist, wenn wir uns doch nicht leiden können? Auf einmal bin ich entsetzlich nervös und unsicher.
»Was möchtest du essen?«
»Ist mir egal«, murmle ich.
Alex scheint sich
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