Chaosprinz Band 2
sollte doch mal in Marcs Bett nachschauen. Er war ziemlich mies drauf. Da war mir sofort alles klar.«
Scheiße, das hört sich nicht gut an. Ich hatte ja schon befürchtet, dass Manu die ganze Geschichte sehr schwer verkraften wird, aber Bens Bestätigung kommt dann doch irgendwie überraschend.
»Marc liebt Manu und die Sache mit Jens war nur ein kleiner Ausrutscher. Stress abbauen. Freundschaftsdienst. Das regelt sich wieder. Ganz sicher.«
»Ich will dir deine Überzeugung nicht nehmen«, meint Ben mit ruhiger Stimme. »Und eigentlich geht es ja auch gar nicht um die beiden und ihre Beziehung… mir geht es um unsere…«
» Unsere? «, frage ich verblüfft. »Wir haben eine Beziehung?«
Ben muss über mein verdutztes Gesicht lachen. »Eine schulische Beziehung.« Dann wird er wieder ernst. »Tobi, du hast dich doch immer so lebhaft am Unterricht beteiligt. Ich hatte das Gefühl, es hätte dir Spaß gemacht. Ich will nicht, dass diese alte Geschichte zwischen mir und deinen Freunden irgendeinen Einfluss auf deine schulischen Leistungen hat. Verstehst du, was ich dir sagen möchte?«
Ich verstehe und nicke zaghaft. Ben lächelt mich an.
»Gut. Dann versprichst du mir also, dass du dir wieder mehr Mühe gibst?«
»Ja«, nuschle ich schuldbewusst.
»Okay, du kannst jetzt gehen. Ich will ja nicht, dass du zu spät zum Unterricht von Frau Eichel kommst.« Er gibt mir einen kleinen, kumpelhaften Klaps auf die Schulter.
Ich haste eilig aus dem Klassenzimmer.
»Tschüss!« Ben sieht mir nach. Er wirkt erleichtert.
Mit schnellen Schritten erklimme ich die vielen Stufen, die mich zum Kunstsaal führen. Mist, die Zimmertür ist bereits geschlossen. Der Unterricht hat angefangen, ich bin zu spät. Atemlos stehe ich vor der Tür, hebe ganz automatisch meine Hand und will gegen das dunkle Holz klopfen – da trifft es mich wie ein Schlag: Kunstunterricht bei Frau Eichel… bei Jasmin Eichel. Der Frau, die die Ehe von Pa und Bettina zerstört hat. Ich kann da nicht reingehen. Es ist alles noch zu frisch.
Und nicht nur für mich. Ich bin überhaupt nicht überrascht, als ich seine große, schlanke Gestalt auf einer der zahlreichen Bänke des Schulparks sitzen sehe. Ich erkenne ihn schon von weitem. Er trägt einen langen, schwarzen Mantel, der sich eng und wärmend an seinen Körper schmiegt und einen herrlichen Kontrast zu seinen hellen, blonden Haaren abgibt.
Er bemerkt mich erst, als ich nur noch zwei Meter von ihm entfernt bin. Stöhnend verdreht er die Augen.
»Was willst du?«, blafft er.
»Nichts«, antworte ich ruhig. »Ich bin auf dem Weg zur U-Bahn und habe dich nur rein zufällig hier sitzen sehen.«
»Na, dann will ich dich nicht länger aufhalten. Du musst doch bestimmt eine Bahn erwischen, oder?« Alex starrt immer noch stur vor sich hin.
Ich zögere eine Sekunde lang. Soll ich tatsächlich weitergehen?
»Darf ich mich neben dich setzen?«, frage ich unsicher.
»Ich habe eine bessere Idee, ich werde aufstehen, dann hast du die gesamte Bank für dich allein.« Er nimmt seine Tasche unter den Arm und will tatsächlich abhauen, doch ich reagiere schneller. Eilig lege ich meine Hand auf seinen Unterarm und halte ihn fest.
»Du brauchst nicht zu gehen. Wir können doch zusammen –«
»Gott, du bist eine dermaßen anstrengende Nervensäge!« Mit einer ruckartigen Bewegung befreit er sich aus meinem Griff. »Ich will nicht mit dir zusammen sein, begreifst du das denn nicht?«
Mein Herz blutet. Es ist schwer getroffen und gefährlich verwundet…
»Müsstest du nicht eigentlich im Unterricht sein? Ich meine, deine neue Stiefmutter wird dich doch ganz sicher vermissen.« Das war jetzt richtig fies.
»Arschloch!«, zische ich wütend. »Du weißt, dass ich sie genauso hasse wie du. Ich glaube nicht, dass ich jemals wieder in ihren Unterricht gehen werde.«
»Ich auch nicht«, murmelt Alex.
»Wie geht es den Zwillingen und Maria?« Meine unvermittelte Frage lässt ihn überrascht zusammenzucken.
Alex fährt sich erschöpft durch das Haar. »Was sollen sie denn tun? Sie akzeptieren es zwangsläufig.« Wieder seufzt er leise. »Die Kleinen haben es noch gar nicht so richtig verstanden. Sie denken wohl, Dad… Joachim ist auf Geschäftsreise oder so.«
Ich sehe die süßen Kleinen vor mir, wie sie spielend durch das Haus rennen und sich über die traurigen und bitteren Gesichter der Erwachsenen wundern.
»Und wie geht es Maria?«, will ich ängstlich wissen.
»Sie ist enttäuscht und verwirrt…
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