Chaosprinz Band 2
flüstere ich lächelnd.
Er kann nicht mehr so tun, als würde er mich nicht hören. Schnaubend dreht er sich zu mir um. Sein finsterer Blick bemerkt die Blume, die ich ihm geben möchte. Kurz betrachtet er sie einfach nur, dann nimmt er sie mir aus der Hand.
Ich glaube, ein warmes Glitzern in seinen Augen erkennen zu können… dann lässt er die Blume fallen. Mitten auf den Boden. Ruckartig dreht er sich um. Er ignoriert mich wieder.
Es tut weh. Ganz tief in mir tut es weh. Ich schäme mich und weiß nicht einmal wofür.
Die restliche Deutschstunde sehe ich ihn nicht mehr an. Er hat sehr deutlich gemacht, dass er es nicht will. Ich habe nicht vor, ihm wie ein liebeskranker Rüde hinterherzuhecheln. Auch ich habe meinen Stolz. Jawohl.
Ich bin froh, als die Schulglocke die Stunde beendet und wir endlich das Klassenzimmer verlassen können. Alex ist einer der ersten, der hinausstürmt. Tom folgt ihm so schnell er eben kann und der Rest der Klasse hat heute scheinbar auch keine Lust herumzutrödeln.
»Mann, die haben es aber eilig«, nuschelt Lena und grinst mich schief an.
»Sollen sie doch«, brumme ich. »Bin froh, wenn ich die ganzen Visagen nicht mehr sehen muss.«
Gerade verlassen Anja, Melli und Jan den Raum. Melli, die Jans Hand umklammert hält, tuschelt ununterbrochen mit Anja. Als sie die Tür erreicht haben, dreht sich Anja noch einmal zu mir um. Ja, er ist immer noch da, der Hass.
»Schau mal!« Lenas helle Stimme reißt mich aus meinen fiesen, gedanklichen Mobbingtiraden. Sie deutet auf Toms und Alex' Schreibtisch. Die Lesebrille. Seine Lesebrille. Er hat sie vergessen.
»Bringst du sie ihm?«, fragt Lena vorsichtig.
»Nö, bin ja nicht sein Butler. Der Maulwurf soll selbst auf seine Augen aufpassen. Außerdem würde ich ihm keine Freude machen, wenn ich ihm helfe, denn dann müsste er sich bei mir bedanken und das will er wirklich nicht.«
Lena sieht mich tadelnd an. Unsanft schubst sie mich in Richtung des Schreibtisches. »Los, nimm das Ding und gut ist.«
Nichts ist gut, aber ich widerspreche ihr nicht. Murrend wickle ich die Brille in ein Taschentuch, damit sie nicht beschädigt wird, und verstaue sie in meiner Jackentasche.
»Du kannst sie ihm gleich oben geben«, meint Lena lächelnd.
»Was meinst du mit oben?«, frage ich verwirrt.
»Na, wir haben doch jetzt Kunst.«
Kunst. Erschrocken bleibe ich stehen.
»Ist was?« Lena mustert mich besorgt.
»Ähm, nein, mir geht es gut, alles wie immer«, murmle ich beschwichtigend.
»Das sehe ich aber anders…« Ben lehnt an dem Lehrerschreibtisch und sieht mich ernst an. Ich habe vollkommen vergessen, dass er noch hier ist.
»Lena, lassen Sie uns mal bitte für fünf Minuten alleine?« Er lächelt Lena freundlich an.
»Nein«, sage ich rasch. »Wir haben keine Zeit. Kunst… Die Stunde fängt gleich an.«
»Es wird nicht lange dauern.« In seiner Stimme schwebt ein gewisser Nachdruck, der es mir unmöglich macht, mich seiner Forderung zu widersetzen. Er ist immer noch mein Lehrer.
Lena verlässt ein bisschen verunsichert das Klassenzimmer. Ben und ich sind allein.
Ich kaue auf meiner Unterlippe herum und starre den Fußboden an. Er will reden, dann soll er es auch tun. Von mir kommt nichts…
»Was ist los mit dir, Tobi?«, will er wissen. »Hast du Probleme zu Hause?«
»Nein.«
»Das glaube ich dir nicht. Hattest du Streit mit Alex?«
»Das geht dich nichts an«, unterbreche ich ihn harsch. »Warum interessiert dich das alles überhaupt? Willst du wieder wissen, wie es zwischen Marc und Manu läuft?«
Er verschränkt die Arme vor der Brust und sieht mich streng an. »Ich will nicht wissen, wie es zwischen Manu und Marc läuft. Ich weiß Bescheid. Ich weiß, dass Marc mit Jens geschlafen hat.«
Verblüfft starre ich ihn an. »Woher…?«
»Von Manu, er hat es mir erzählt.«
»Was? Trefft ihr euch? Habt ihr wieder was miteinander?« Ich bin geschockt. Mein Herz schlägt schmerzhaft schnell vor Angst und böser Vorahnung.
»Wir haben uns zufällig getroffen – auch wenn du mir das jetzt nicht glaubst.« Bens ernste Miene lässt keine Zweifel offen. »Am Samstag waren wir gemeinsam auf der Geburtstagsparty eines Bekannten. Janosch und Uwe waren auch dabei. Sie haben ihn scheinbar zum Ausgehen gezwungen. Ich traf die drei und erkundigte mich – natürlich ohne zu ahnen, in was für ein Fettnäpfchen ich da hineintreten würde – nach Jens. Ich fragte, wo er denn sei, und Manu meinte, er wäre sich nicht sicher, aber ich
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