Chaosprinz Band 2
Tasse gekocht hat.
»Der Sohn, also«, nuschelt er leise. »Was willst du hier?« Dieselbe Frage wie vorhin.
»Ich…«, stammle ich und bin mir auf einmal gar nicht mehr so sicher, was ich eigentlich mit diesem Besuch beabsichtigt habe. »Ich wollte dich fragen, ob du … würdest du dich mal mit Pa treffen? Vielleicht könnt ihr euch ja unterhalten.«
Der Alte starrt mich immer noch an. Ich bin mir nicht sicher, ob er mich überhaupt gehört hat. Und wenn, ob er meine Worte dann auch verstanden hat.
»Ja«, meint er nach einer Weile. »Ja, warum nicht.«
Das ist alles, was er dazu sagt.
***
Ich bin schrecklich verwirrt. Dieser Besuch hat mich sehr aufgewühlt.
Jedes Kind braucht Vater und Mutter und alle Eltern sehnen sich nach ihren Kindern. So ist das doch, oder?
Auch Großvater und Pa werden sich am Ende über ein Wiedersehen freuen. Eine Versöhnung. Wahrscheinlich haben sie Stunden damit verbracht, darüber nachzugrübeln, was wohl aus dem anderen geworden ist.
»Ich war froh, ihm endlich entkommen zu sein. Dieses Leben war meine persönliche Hölle und er der leibhaftige Teufel.« Pa steht vor mir. Seine Augen funkeln wütend. Er zittert.
Ich sitze auf der Couch und fühle mich sehr klein. Gerade eben bin ich nach Hause gekommen. Pa ist schon da gewesen. Er hat etwas zu essen mitgebracht. Abgepackte Salate und ein halbes Baguette. Vor lauter Aufregung habe ich keine Zeit verloren und ihm sofort von meinem kleinen Ausflug erzählt.
»Ich habe heute deinen Vater kennengelernt.«
Er hat schockiert reagiert. Dann entsetzt. Dann ist er wütend geworden.
»Du hast eine Grenze überschritten, Tobias. Du bist definitiv zu weit gegangen.«
»Ich wollte dir helfen«, murmle ich enttäuscht.
»Wie denn?«
»Ich dachte, du würdest dir eine Versöhnung mit deinem Vater wünschen.«
»Ich wünsche mir, ihn nie wieder sehen zu müssen«, brüllt Pa und rauft sich das dunkle Haar. »Dieser Mann hat mich achtzehn Jahre lang gedemütigt und schikaniert. Ich habe mir fest vorgenommen, ein anderes Leben zu leben… ein besseres Leben…« Er lässt die Arme sinken.
»Ein Leben ohne Schulden. Ein Leben, in dem ich meinen Kindern alles ermöglichen kann.« Seine Stimme bekommt einen rauen Unterton. »Ich wollte das Gegenteil von ihm sein – ein guter Vater, ein guter Ehemann. Erfolgreich und glücklich…« Stöhnend reibt er sich mit beiden Händen über die Augen, die Stirn, das Haar.
»Das bist du doch auch«, nuschle ich unsicher.
Pa lacht laut und höhnend. »Natürlich, und das sagt mir mein Sohn, den ich fünfzehn Jahre lang im Stich gelassen habe…«
Er schüttelt den Kopf. Seine Augen glänzen. »Ich bin ein Versager. Ein schlechter Mensch, genau wie er…«
Er dreht sich müde lächelnd, breitet die Arme aus und deutet in einer vagen Geste auf die Wände um uns herum.
»Mein Vater würde sich sehr freuen. Er würde mich auslachen und sagen: Ich habe es doch immer gewusst. Ich habe gewusst, dass du dein Leben in den Sand setzen wirst. Zwei Trennungen, Kinder, die mich hassen, eine Wohnung, die mir ein Kumpel leiht, und ein Job, den mir mein Ex-Schwiegervater besorgt hat und den ich wahrscheinlich bald los bin. Mein Vater würde sich total bestätigt sehen…«
Ich stehe auf und mache einen Schritt auf ihn zu. Hart und schmerzhaft pocht mein Herz in meiner Brust.
»Das habe ich nicht gewollt. Ich wollte nicht, dass du dich schlecht fühlst…«
Er nickt langsam. »Ich weiß«, murmelt er.
»Du bist kein schlechter Mensch. Du setzt dich nur selbst viel zu stark unter Druck. Zusammen schaffen wir das schon…«
Pa nickt wieder. Er hört mir gar nicht richtig zu. »Ich gehe noch mal raus«, murmelt er leise.
»Wohin?«, frage ich nervös.
»In irgendeine Kneipe.« Er schlurft langsam in den Flur. »Werde ich eben Alkoholiker – damit mein Vater und ich uns noch ähnlicher sind.«
Ein Scherz, aber ein mieser. Es fehlen mir die Worte, um ihn aufzuhalten. Er geht. Ich stehe mit Tränen in den Augen im Türrahmen.
So habe ich das nicht geplant. Versöhnungen können so heilsam sein. Wenn man sich seinen ältesten Ängsten stellt, kann man doch nur gewinnen, oder? Man muss sich mit seinen Wurzeln, mit seiner Familie auseinandersetzen, um zu begreifen, wer man eigentlich ist. Erst dann kann man den nächsten Schritt in die Zukunft machen. Mir hat es sehr geholfen, dass ich Pa endlich, nach so langer Zeit, kennenlernen durfte.
***
»Du gehst, wie immer, von dir aus, Bambi.« Alex seufzt und
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