Chaosprinz Band 2
Freund ist, bevor ich ihn anrufe, und ich habe auch keine Lust, meinem Laptop einen Gutenachtkuss zu geben. Ich will das Original, in Lebensgröße und zum Anfassen.«
»Dann glaubst du nicht, dass wir es schaffen können?«
Ich drücke mein Gesicht noch etwas fester an seinen Hals. Der Geruch… diese Haut… so warm… Wie soll ich bloß auf all das verzichten?
»Du möchtest, dass ich hier bleibe?«
»Scheiß Frage!«, zische ich.
Alex geht einen kleinen Schritt zurück. Er zwingt mich, ihm in die Augen zu sehen.
»Bambi, willst du wirklich einen Freund haben, der mit sich selbst unzufrieden ist? Der schlechte Laune hat und nicht weiß, wer er wirklich ist?«
Ich presse die Lippen aufeinander und schweige. Wie ich es hasse, wenn er mit diesen unschlagbaren Argumenten auffährt. Alex sieht sich durch mein Schweigen bestätigt. Vorsichtig nimmt er meinen Kopf in seine Hände und legt die Lippen auf meine.
Er küsst mich. Küsst meine Unterlippe, immer wieder. Seine Zunge dringt tief in meinen Mund ein, reibt fordernd und streichelnd über meine. Der rasende Puls, die Tränen und das Spiel der feuchten Zunge in meinem Mund rauben mir den Atem. Mir wird schwindelig.
Zitternd schlinge ich die Arme um Alex' Hals, gerade noch rechtzeitig, bevor mir die Knie einknicken und ich das Gleichgewicht verliere. Wir klammern uns fest aneinander, als wir gemeinsam zu Boden sinken.
***
»Tobi? Komm, sprich mit mir!«
Ich drücke mein Gesicht nur noch fester in das weiche Kissen. Langsam geht mir der Sauerstoff aus. Egal. Erstick ich eben. Auch recht.
»Lass die Bettdecke los!« Nein. Die Decke bleibt wo sie ist. Nämlich fest über meinem Kopf. »Tobi, ich habe keine Lust mehr, langsam wird's albern.« Marc zerrt an der Decke herum.
»Lass das!«, kreische ich und verkrieche mich nur noch weiter in die weichen Daunen. »Ich will allein sein!«
»Warum kommst du mich dann besuchen, wenn du allein sein willst?«, fragt Marc spöttisch. »Das ist nicht besonders logisch.«
»Ist mir egal«, fauche ich.
Marc seufzt. Hier, unter der Bettdecke klingt es leise und gedämpft. So wie alle Geräusche. Ich bin in Sicherheit. In meiner eigenen, warmen, schwarzen Welt.
Die Matratze hebt und senkt sich. Marc krabbelt wohl auf dem Bett herum. Er legt sich dicht neben mich und streichelt über den von der Bettdecke bedeckten Rücken.
»Was ist denn los?«, will er wissen. »Du stehst ganz plötzlich unangemeldet vor meiner Wohnungstür, klingelst Sturm und rennst dann ohne eine Erklärung in mein Schlafzimmer, nur um dich hier im Bett zu verkriechen. Ist was passiert?«
»Nein«, nuschle ich in das Kissen. »Nichts Besonderes zumindest. Alex wandert nach Amerika aus und lässt mich hier allein zurück. Ach, und dann habe ich mir auch noch das Schienbein an der Badezimmertür angeschlagen.«
»Was? Aber warum?« Marc klingt nicht milde überrascht.
»Ich habe geduscht und war gerade dabei, mir die Haare abzutrocknen, da habe ich die Tür einfach übersehen.«
»Idiot«, faucht Marc. »Du weißt genau, was ich meine.«
Ruckartig zieht er mir die Decke vom Kopf. Ich zapple wie ein Fisch auf dem Trocknen und versuche, meine geliebte Schutzhülle zurückzubekommen, doch Marc schnappt sich meine wild fuchtelnden Hände und hält sie fest.
»Sag mir endlich, was los ist!«, fordert er mit ernstem Gesichtsausdruck.
Ich schaue ihm in die dunklen Augen und spüre sofort wieder die heißen Tränen, die in mir aufsteigen.
»Alex' Vater geht zurück in die USA und Alex und seine Familie wollen mitgehen.« Allein die Worte lassen mein Herz schmerzhaft zucken.
»Ist das dein Ernst?« Marc schüttelt verständnislos den Kopf. Er rutscht noch ein bisschen näher an mich heran und mustert mich besorgt. »Warum will er denn weg?«
»Irgendein alter Mann ist gestorben und jetzt hat er eine Galerie in New York geerbt«, murmle ich.
»Alex hat eine Galerie geerbt?«
»Alex? Nein, Markus…«
Marc verdreht schnaubend die Augen. »Verstehst du mich eigentlich immer mit Absicht falsch? Ist das deine Art, um mich zu ärgern und im besten Fall in den Wahnsinn zu treiben?«
Ich schüttle den Kopf. »Nein.«
Marc sieht mich ernst an. »Gut, dann kannst du mir ja jetzt alles ganz in Ruhe erklären.«
Und das mache ich auch. Erst, als ich wieder weine und mir langsam die Worte ausgehen, verstumme ich und sehe Marc Hilfe suchend an. Er erwidert meinen Blick, seufzt leise und beugt sich dann über mich hinweg zum Nachtschränkchen, aus dem er
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