Chaosprinz Band 2
versuche meinen schweren Freund so gut es eben geht auf den Beinen zu halten. »Ich weiß nicht…«
»Soll ich jemanden holen?«
»Kannst du mir nicht helfen?« Ich sehe ihn bittend an. Alex verdreht gequält die Augen. »Bitte, Alex…«
Er stöhnt und schnappt sich Kims freien Arm, den er sich grob um die Schultern legt. »Bringen wir ihn in sein Zimmer.«
***
Den betrunkenen Kim durch das vollgestopfte Wohnzimmer zu bugsieren, hat sich als kompliziert herausgestellt. Obwohl er große Probleme mit dem Laufen, Sprechen und Stehen gehabt hat, hat er trotzdem alle zwei Meter anhalten müssen, um sich lallend mit diesem oder jenem Kumpel zu unterhalten. Der Rest der Partygesellschaft ist ähnlich drauf gewesen und ich habe mich langsam gefragt, wie wir die ganze Meute jemals wieder aus der Wohnung bekommen sollten.
Nun ist es halb fünf Uhr in der Früh. Der Großteil der Gäste ist längst verschwunden, aber ein kleiner, sehr harter und sehr betrunkener Kern sitzt immer noch im Wohnzimmer und sinniert über das Leben.
Mit graut es total vor dem Aufräumen. Die Wohnung ist ein Schlachtfeld. Küche und Wohnzimmer hat es besonders schlimm erwischt. Die Rotweinflecken im Teppich werden wohl nie wieder rausgehen. Ich bin froh, dass ich hier nicht leben muss.
Holger hat die Rolle des Rausschmeißers übernommen. Er und Agnes haben Gastgeber gespielt und Kim ersetzt, der zwischenzeitlich zwar wieder etwas nüchterner geworden ist, mit dem man aber einfach nichts mehr anfangen konnte.
Die Jacken sind in Agnes Zimmer verfrachtet worden, damit sich Kim in sein Bett legen konnte. Vorhin habe ich ihm noch einen ganzen Liter Wasser und zwei Tassen sehr starken Kaffee zum Trinken gegeben. Nach anfänglichem Murren ist er aber recht brav gewesen und hat getan, was ich von ihm verlangt habe. Alex ist die ganze Zeit bei mir gewesen. Dafür bin ich ihm unendlich dankbar.
Nun schläft Kim. Und ich bin ebenfalls todmüde. Die letzte Stunde haben Alex und ich schweigend neben Kims Bett auf dem Boden gesessen, die Rücken an die Schranktüren gelehnt. Wir haben kein Wort gesagt. Haben einfach nur so da gesessen. Ganz eng beieinander. Unsere Schultern haben sich berührt. Unsere Arme haben sich berührt. Unsere Oberschenkel haben sich berührt.
Ich habe nicht gewusst, welches Körperteil gerade am meisten kribbelte. Die Gänsehaut ist von einem Ende meines Körpers zum anderen gewandert. Mal habe ich gedacht, die Hitze seiner Arme verbrennt mich, dann ist da wieder die Schönheit seiner schlanken Finger gewesen, die mich total in ihren Bann gezogen hat. Ich habe ihn nicht angefasst. Er hat mich nicht angefasst. Und trotzdem… Wie kann etwas total Banales so intim sein?
Aus dem Augenwinkel heraus habe ich seine Brust gesehen. Sie hat sich bewegt, hoch und runter, immer wieder. Seine Atmung hat mich beruhigt… mich erregt… Ich wäre gerne auf seinen Schoß gekrochen, hätte meine Hände in seinen Haaren vergraben und meine Lippen fest gegen seine gepresst. Doch ich bin nicht in der Lage gewesen, mich zu bewegen. Wir sind in einer Art mystischer Trance gefangen gewesen. Und Kims sanftes Schnarchen hat mich natürlich auch davon abgehalten.
Nun ist es mit Alex' und meiner knisternden Ruhe vorbei. Alex ist nicht mehr da und neben mir sitzt der kleine André. Nicht so eng natürlich, aber genauso stumm. Ich kann Alex und Tom im Flur streiten hören. Alex ist sehr, sehr wütend.
Ich drehe den Kopf und betrachte Andrés Gesicht. Er hat einen etwas verklärten Blick, sieht aber nicht müde aus. »Wie war's?«, frage ich und merke, wie zynisch das gerade rüberkam.
André schaut mich an und bekommt feuerrote Ohren. »Ich… was meinst du?«, stammelt er.
»Du hast doch mit Tom geschlafen.« An Einfühlungsvermögen und Sanftheit fehlt es mir gerade, dafür bin ich zu fertig.
»Nein… Also…« Der arme Wicht glüht ja schon beinahe vor Scham.
»Es muss dir nicht peinlich sein. Du bist sechzehn, da darfst du selbst entscheiden, ob du Sex haben möchtest oder nicht. Ich hoffe nur, du weißt, was du tust«, sage ich vorsichtig.
»Ja«, piepst er nervös. Naja, das sieht mir aber nicht so aus.
»Wir haben uns Sorgen gemacht, weil ihr so lange weg wart.«
»Hm.« Er zuckt nur entschuldigend mit den Schultern.
»War Tom lieb?« Diese gewisse Neugierde kann ich mir einfach nicht verkneifen. Er nickt hektisch mit dem Kopf und seine großen, grünen Augen leuchten.
Alex reißt die Tür auf und rauft sich die Haare. Erschrocken
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