Chaosprinz Band 2
bereit erklärt, die Fotos zu suchen.
Da dies eine äußerst schmutzige und staubige Angelegenheit ist, versuchte auch niemand, uns diese Aufgabe streitig zu machen. Erleichtert sind wir hierher geflüchtet und kämpfen wir uns seit etwa einer Stunde durch Kisten, Kartons, alte Möbel und verstaubten Plunder.
»Ich bin mir sicher, er hat es nicht so gemeint.« Elena versucht, mich immer noch zu beruhigen.
»Das ist doch egal, er hat es gesagt, basta!« Ich bleibe stur.
»Willst du ihm denn gar nicht verzeihen?«
»Doch, schon, aber er soll es auch wirklich bereuen und darüber nachdenken«, meine ich ernst. Die Tatsache, dass ich Kim in der letzten Nacht quasi betrogen habe, wird einfach mal ignoriert. Elena lässt das Thema seufzend fallen und wir suchen schweigend weiter.
»Ich weiß nicht, ob wir hier jemals etwas finden.« Ich schüttle den Kopf.
»Bettina sagte, die Bilder müssten in diesem Raum sein.« Sie deutet auf die vier Wände um uns herum. Regale und Schränke gefüllt mit altem Geschirr, verstaubten Büchern, Vasen, Schallplatten und Spielsachen. Ich betrachte gerade einen alten, zerknuddelten Teddybären und frage mich, ob der mal Alex gehört hat, als Elena zu rufen beginnt.
»Ich habe sie gefunden.« Glücklich reicht sie mir eine große Kiste, die mit kleinen Klappalben und jeder Menge Fotos gefüllt ist.
»Endlich«, seufze ich erleichtert. Wir wühlen ein bisschen in der Kiste.
»Alex und Maria waren sehr süße Kinder«, meint Elena lächelnd. Auf dem Foto in ihrer Hand sind die beiden zu sehen. Sie sitzen auf dem Schoß von Erwin, der stolz in die Kamera blickt. Lydia und Bettina sitzen jeweils links und rechts neben ihm. Auch Lydia strahlt. Bettina jedoch sieht müde aus. Sie ist sehr blass und schmal. Man kann fast nicht glauben, dass sie die Mutter der beiden Kinder sein soll, sie sieht selbst aus wie ein Teenager.
»Wieder kein Bild von dem Vater«, murmle ich leise.
»Hm?« Elena sieht mich fragend an.
»Ist dir aufgefallen, dass der Vater von Maria und Alex nirgends zu sehen ist?« Ich mache ein verschwörerisches Gesicht.
Elena denkt kurz nach, dann nickt sie. »Das geht uns aber nichts an, Tobi«, meint sie warnend.
Ich wünschte, sie hätte recht.
Wir hören Schritte. Hastig werfen wir alle Bilder zurück in den Karton. Alex erscheint im Türrahmen. Seine Miene ist finster. Er sieht uns ernst an.
»Ich… also, ich gehe mal schnell nach den Zwillingen schauen…«, stammelt Elena und hastet eilig aus dem kühlen Kellerraum. Als ihre Schritte nicht mehr zu hören sind, kommt Alex langsam näher. Er betrachtet die Kuscheltiere, die im Regal sitzen.
»Kann ich dir irgendwie helfen?«, frage ich ungeduldig.
»Hm…«
»Bedeutet hm ja oder nein? Tut mir leid, ich spreche nicht die Lautsprache der Verbalbehinderten.«
»Warum so bissig?« Er lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. »Bist du gestresst?«
»Ja, bin ich. Du stresst mich.« Ich stelle den Karton achtlos auf den Boden.
»Ich?«
»Oh, bitte, Alex. Können wir nicht einmal ganz normal miteinander reden?«, frage ich schon fast flehend.
Er schlendert immer noch durch den Raum, fasst hier und da einen verstaubten Gegenstand an und begutachtet ihn genauer.
»Ich unterhalte mich nur sehr ungern mit dir, Bambi. Das ist immer so anstrengend. Du redest schnell, springst in deinen Gedankengängen und kennst anscheinend keine Satzzeichen. Musst du nie Luft holen?« Er klingt spöttisch.
»Wieso hast du das nicht schon viel früher gesagt – Fragezeichen – Ich wusste nicht – Komma – dass ich dich überfordere – Punkt – Du bist eben ein langsamer Mensch – Punkt – Es tut mir leid – Ausrufezeichen.« Ich spreche extra langsam und deutlich, betone jedes Wort ganz genau und mache dabei ein ernstes Gesicht.
Alex verdreht die Augen. »Sehr lustig.«
»Ja, sehr lustig, können wir dieses Thema aber jetzt trotzdem fallen lassen?«, frage ich seufzend. »Du bist hier runtergekommen, um mit mir zu sprechen, wieso tust du es jetzt nicht?« Ich bin schon ganz hibbelig vor lauter Ungeduld.
Er antwortet nicht. Mit verschlossener Miene wühlt er in der Fotokiste.
»Alex?« Herrgott, er macht mich wahnsinnig. »Sprich mit mir!«
Nach der letzten Nacht muss er doch was zu sagen haben. Er muss einfach…
»Alex!« Ich kann die Wut nicht länger zurückhalten. Meine Finger krallen sich in sein dunkles Seidenhemd. Ich spüre, wie meine Fingernägel die weiche Haut darunter zerkratzen. Hart ziehe ich ihn zu mir
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