Chaosprinz Band 2
ist jede Natürlichkeit schon längst verschwunden. Nun sieht Adelheid aus wie eine schlecht gefärbte, blonde Barbie in einem Chanel- Kostüm. Ihr Mann Friedrich ist der langweiligste Mensch der Welt. Aber er ist sehr, sehr reich. Und darum haben ihn alle so lieb.
Pa steht mit Erwin, dessen Bruder Richard und Friedrich draußen auf der Terrasse. Sie rauchen Zigarren und betrachten den weitläufigen Garten. Alex und Patrick sind bei ihnen, stehen etwas abseits und unterhalten sich. Patrick müsste so alt sein wie Alex und ich, seine Schwester Larissa ist jünger. Vierzehn oder fünfzehn. Sie sitzt in einem der Sessel und blättert in einer Zeitschrift.
Ihre Mutter hat es mit der Schönheitschirurgie deutlich übertrieben, Larissa hingegen, finde ich, könnte den Besuch bei einem Chirurgen schon mal wagen. Ich weiß nicht, was mich mehr irritiert, ihre Hakennase oder die extremen Segelohren.
»Na gut, dann werde ich mal über diese Variante mit dem Foto nachdenken«, sagt Lydia und nippt an ihrem stillen Wasser.
»Wir können uns ja ein paar Bilder anschauen, wer weiß, vielleicht ist etwas dabei…« Adelheid ist von dieser Idee ganz verzückt.
»Maria, holst du bitte die Fotoalben aus dem Schrank?«, wendet sich Bettina an ihre Tochter.
Maria nickt lächelnd, doch ich kann sie genervt brummen hören. Sie steht auf und schreitet würdevoll zu dem langen Bücherregal.
Mein Blick wandert nach draußen, aus dem breiten Fenster auf die Terrasse. Pa steht neben Erwin, er hat die Hände in den Hosentaschen vergraben und beißt sich immer wieder nervös auf der Unterlippe herum. Plötzlich dreht er sich um, unsere Blicke treffen sich. Ich schaue schnell weg. Weiß nicht, warum. Er kaut auf seiner Unterlippe herum… Hm, das mache ich auch immer…
»Oh, wie entzückend, schau mal, Maria, das war dein fünfter Geburtstag. Du hast auf einem Ponyhof gefeiert.« Adelheid hat sich ein Album auf den Schoß gelegt und deutet nun kichernd auf eines der eingeklebten Bilder.
»Ja, stimmt«, meint Maria höflich, aber emotionslos.
»Zeig mal, Mama«, fordert Larissa mit quengeliger Stimme. Ihre Mutter reicht ihr das große, dicke Fotoalbum. Auch Bettina, Lydia und Ursula betrachten nun die verschiedenen Alben und schwelgen in Erinnerungen. Larissa hat die Lust an den Fotos bereits verloren und legt das Album nun etwas unsanft auf den gläsernen Couchtisch.
Ich beuge mich nach vorne und nehme es an mich. Neugierig fange ich an, darin zu blättern. Kinderfotos. Von Maria und Alex. Ich erkenne ihn sofort, seine Augen, seinen Mund, seine Nase…
Natürlich alles kleiner, kindlicher, runder, niedlicher, aber trotzdem eindeutig Alex. Keine Ahnung, ob ich jemals ein vergleichbar entzückendes Kind gesehen habe.
»Sabber, sabber«, zischt es mir spöttisch ins Ohr.
»Was?« Ich zucke erschrocken zusammen und starre Maria mit roten Wangen an.
»Du sabberst.« Sie grinst fies.
»Tu ich nicht«, widerspreche ich rasch und werde dabei ziemlich rot.
»Doch, tust du. Voll peinlich.«
»Ich… ich, habe die Ähnlichkeiten zwischen Timmy und Alex verglichen…«, sage ich hastig.
»Ja, sicher.« Maria glaubt mir kein Wort. »Ich kann immer noch nicht begreifen, was du an diesem steifen Spießer findest.« Sie meint ihren Bruder.
»Er ist kein steifer Spießer und das weißt du genau.« Ich blättere eilig weiter. »Kennst du ihn so wenig?«
»Kennst du ihn so gut?« Sie sieht mich bissig an.
»Gut genug, um zu wissen, dass da noch viel mehr ist… und dass es für sein Verhalten Gründe geben muss…«
Wir können unser Gespräch nicht fortführen, wir werden von den Frauen, die uns gegenüber sitzen, unterbrochen. Sie haben alle zu seufzen und zu kichern angefangen. Ihre Aufmerksamkeit gehört einem schmalen, großen Buch. Es muss sich dabei um Bettinas und Pas Hochzeitsfotos handeln. Die Frauen bewundern noch einmal Bettinas weißes Kleid.
»Du warst die schönste Braut, die ich jemals gesehen habe«, flötet Adelheid übertrieben enthusiastisch. »Und Joachim, so stattlich.«
»Sie waren ein wundervolles Paar … und sind es immer noch«, meint Lydia stolz. Bettina lächelt geschmeichelt und ich versuche, den eiskalten Spott und Zynismus aus meinem Kopf zu verbannen, der immer wieder ganz laut Lüge, Affäre, Ehebruch, Schein und Liebeskummer schreit.
»Ja, wir waren alle so froh, dass es doch noch geklappt hat. Unsere Bettina hat ihr Glück gefunden…« Ursula schenkt ihrer Nichte ein scheinheiliges Lächeln. Bettina
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