Chaosprinz Band 2
uns?«
»Es ist die Wahrheit«, meint er trocken.
»Also willst du, dass alles so bleibt, wie es ist? Hm? Und hin und wieder treffen wir uns in dunklen Räumen zum Knutschen?« Der Zynismus in meiner Stimme ist nicht zu überhören.
»Das mit dem Kuss war dumm…«, nuschelt Alex.
»Ja, sehr dumm… Und in zwei Wochen machen wir wieder so etwas Dummes. Dann diskutieren wir und am Ende tun wir so, als sei nichts passiert, nur damit zwei Wochen darauf die ganze Scheiße wieder von vorne anfängt.« Wild mit den Händen fuchtelnd laufe ich von dem einen zum anderen Ende des Raums. »Wir drehen uns immer nur im Kreis. Es ist jedes Mal dasselbe. Ich kann nicht mehr. Es macht mich echt fertig.«
Alex sieht mir stumm zu.
»Ich verstehe nicht, wie du dein gesamtes Leben von der Meinung eines alten Spießerehepaars abhängig machen kannst«, fauche ich ihn an.
»Redest du von meinen Großeltern?«, fragt er kühl.
»Allerdings.«
»Du kennst sie doch gar nicht richtig, du weißt nicht, was sie alles für uns getan haben. Für Mom, Maria und mich… aber auch für deinen Vater…«
»Ach, darum sind alle immer so froh, wenn sie zu Besuch kommen. Die entspannte, familiäre Atmosphäre ist ja fast greifbar«, spotte ich.
»Sie haben uns wirklich sehr geholfen und dafür respektieren wir sie«, unterbricht mich Alex zornig. Ich muss an Markus denken, verkneife mir aber jeden weiteren Kommentar. »Vielleicht sind wir für dich Spießer, aber es kann ja nicht jeder aus einer Familie kommen, in der man nachts mit der Gitarre um ein Lagerfeuer sitzt, Lieder vom Weltfrieden singt und danach seinen Namen tanzt.« Er sieht mich angriffslustig an.
Ich bleibe heftig atmend vor ihm stehen. »Ich kann meinen Namen gar nicht tanzen«, blöke ich. »Aber ich kann meine Gefühle tanzen. Willst du mal sehen? Ich mach's dir vor. Ich tanze Wut .«
Und schon fange ich an, wie irre in der Mitte des düsteren Kellerraumes herumzuhüpfen. Ich drehe mich, wedle wild mit den Armen, mache kreisende Bewegungen über meinem Kopf. Alex sieht mir dabei zu, wie ich mit den Beinen hin und her zapple, wie ich mich immer wieder wild drehe und hin und wieder in die Knie gehe. Irgendwann ist mir so schwindelig, dass ich stehen bleibe. Schwer atmend suche ich nach meinem Gleichgewicht und versuche, nicht zur Seite wegzukippen.
Alex beißt sich fest auf die Unterlippe, um sich das Lachen zu verkneifen.
»Das war Wut «, nuschle ich erschöpft. »Jetzt geht es mir viel besser, musst du auch mal probieren.«
Nun fängt Alex doch zu lachen an und auch ich muss kichern.
»Das sah so dermaßen bescheuert aus«, amüsiert sich Alex.
»Schön, wenn ich dich unterhalten konnte«, meine ich grinsend.
Er geht auf mich zu, nimmt mein Gesicht in seine Hände und sieht mir fest in die Augen. Liebevoll und zärtlich…
»Du bist unglaublich, Bambi«, haucht er leise.
Ich bekomme eine wahnsinnige Gänsehaut und in meiner Brust fühlt sich alles ganz warm an.
»Unglaublich süß, unglaublich nervig, unglaublich sexy oder unglaublich verrückt?«, frage ich atemlos.
»Ja.« Er lächelt.
Ich lächle auch.
»Sag mir, dass wir es irgendwie schaffen werden, dass wir eine Lösung finden«, flüstere ich bittend. »Sag mir, dass du mich liebst.«
Er lehnt seine Stirn an meine. Ich atme den Duft seines warmen Körpers ein, spüre seine schlanken, zarten Finger, die meine Wangen, meinen Hals streicheln und fühle die langen, weichen Strähnen seines blonden Haares, die mein Gesicht streifen.
»Ja«, raunt er leise.
»Tobi? Alex?« Es ist Marthas Stimme. Eilig lassen wir uns los, gehen auseinander. »Jungs? Kommt ihr zum Kaffeetrinken? Die anderen warten schon auf euch.« Marthas Rufen dringt durch den gesamten Keller und hallt an den kahlen Wänden wider.
»Wir kommen«, antwortet Alex laut.
Er sieht mich an und streckt mir seine Hand entgegen. Ich ergreife sie glücklich. Er lässt mich erst wieder los, als wir die oberste Stufe der Kellertreppe erreicht haben.
41. Kapitel
Alles beim Alten?
Als ich Anja am Samstag im Supermarkt getroffen habe und sie von meiner Homosexualität erfahren hat, da war ich unglaublich erleichtert. Ich habe zufrieden ausgeatmet und einen imaginären Haken auf meiner imaginären Liste gemacht, auf der ich im Geiste alle meine Probleme und Sorgen notiert habe.
Nun stehe ich hier am Montagmorgen auf dem Parkplatz vor dem Schulgebäude und hole meinen imaginären Radiergummi hervor, um den imaginären Haken auf der imaginären
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