Chaosprinz Band 2
gerührt.
»Bilde dir nichts darauf ein.«
Erschrocken drehe ich mich um. Anja steht vor mir.
»Was?«, frage ich ein bisschen atemlos und erröte sofort.
»Ich habe gesagt, du sollst dir nichts auf diese kleine Geste einbilden«, meint sie locker. »Er hilft dir nur, weil er sich dazu verpflichtet fühlt. Er tut es wegen eurer Eltern.« Sie wirkt sehr selbstsicher. Meine Wangen färben sich feuerrot. »Du darfst nicht denken, dass mehr dahinter steckt«, flüstert sie.
»Was sollte auch dahinter stecken?« Meine Unsicherheit wächst.
Anja streicht sich gekonnt das Haar aus der Stirn. Ihre Fingernägel sind perfekt manikürt, die Haut ist strahlend rein, die Lippen sind zart geschminkt, das Haar glänzt, ist glatt und gesund.
»Lass ihn in Ruhe«, meint sie leise. »Hör auf, dich an ihn dranzuhängen und ihn anzuschmachten. Er will das nicht.«
Ich glaube, ich hör nicht richtig.
»Spinnst du?«, zische ich kühl. »Was willst du überhaupt von mir?«
»Ich will gar nichts von dir und Alex genauso wenig.« Auf ihren Lippen liegt ein leichtes Lächeln. Würde uns jemand beobachten, dann käme er bestimmt nicht auf die Idee, dass wir uns gerade streiten. Sie beherrscht die freundliche Engelsmiene perfekt. Nur in ihren Augen, da funkelt die Wut.
»Alex und ich, wir gehören zusammen, wir verstehen uns, wir kennen uns, seit wir Kinder sind. Wir leben in derselben Welt«, meint sie mit gedämpfter Stimme.
»Ich dachte, wir würden alle in der gleichen Welt leben«, spotte ich.
Sie ignoriert meinen Kommentar. »Lass ihn einfach in Ruhe. Deine Anwesenheit in seiner Familie ist schon belastend genug für ihn«, haucht sie.
»Warum erzählst du mir das alles? Wenn ihr so glücklich miteinander seid, dann kann ich euch doch nichts anhaben.« Ich lächle sie böse an. »Sag schon, Anja, warum machst du dir Sorgen? Du hast doch gar keinen Grund, oder?«
Ich merke, wie sie zu zittern anfängt. In ihren Augen glitzert nun mehr als nur Wut.
»Lass ihn einfach in Ruhe«, flüstert sie mit gebrochener Stimme. Dann dreht sie sich um und geht zur Klassenzimmertür.
Und sie hat doch geweint, am Samstag auf dem Supermarktparkplatz.
42. Kapitel
Entscheidungen?
Der dürre Kellner zieht besorgt seine gezupften Augenbrauen nach oben und streicht sich den gesträhnten Pony aus der Stirn.
»Wollt ihr vielleicht doch etwas essen, meine Lieben?«, säuselt er und mustert uns freundlich.
»Nein, danke«, meint Marc leise.
Ich schüttle einfach nur den Kopf. Der Kellner seufzt, zuckt dann kurz mit den Schultern und lässt uns schließlich allein. Ich lasse mich zurück in die weichen, samtenen Polster der alten Couch sinken.
In dem kleinen, verwinkelten Raum herrscht eine angenehme Atmosphäre. Das kleine Café ist ein absoluter Geheimtipp und Treffpunkt der Münchner Schwulenszene. Freunde unterhalten sich mit gedämpften Stimmen, trinken Tee und essen Kuchen und in den Ecken sitzen Pärchen, die miteinander kuscheln und sich verliebt anlächeln. Jeder scheint zufrieden und glücklich zu sein.
Jeder? Na ja, fast jeder. Es gibt da zwei Typen, die auf einer Couch vor einem der niedrigen Fenster sitzen und schweigend in ihre Teetassen starren. Die beiden machen nicht gerade zufriedene Gesichter.
Er hat mich nach dem Ende meiner Schicht im Laden abgeholt und zusammen sind wir dann hierher gefahren. Dieser Ort gefällt mir wahnsinnig gut, er trifft ganz genau meinen Geschmack und normalerweise könnte ich mich gar nicht mit Begeisterungsbekundungen zurückhalten.
Doch momentan ist meiner Laune nicht nach Jubeln oder Schwärmen. Ich möchte gar nicht reden. Und Marc geht es absolut genauso. Da-rum sitzen wir stumm nebeneinander und starren in die Flamme der großen, runden Duftkerze, die auf dem niedrigen Couchtisch in einem Glasgefäß steht und nach Rosen riecht.
Das Treffen war Marcs Idee. Ich glaube, jetzt bereut er sie schon wieder. Das liegt wahrscheinlich gar nicht mal an mir, also an meiner Person, sondern vielmehr an der Tatsache, dass ich ein Mensch bin und Marc Menschen momentan eher meidet. Soweit ich es mitbekommen habe, ist er auch den anderen so gut es eben ging ausgewichen.
Ich sollte mich im Grunde geehrt fühlen, dass ausgerechnet ich der Auserwählte bin, mit dem er sich wenigstens für ein Stündchen zusammensetzt. Doch im Moment wäre es mir irgendwie lieber, wenn er unsere Verabredung abgesagt hätte. Ich muss nachdenken.
»Schmeckt dir dein Tee?«, frage ich Marc.
»Ja.« Er hat noch nicht einmal
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