Chaplins Katze, Clintons Kater
Nobelpreis geehrt, hat aber den Dauerbrenner-Erfolg der musikalischen Fassung von ›Cats‹
nicht mehr erlebt. Aber er lebte noch, als 1936 William Butler Yeats’ Kommentare zu seinem Werk im ›Oxford Book of Modern English Verse‹ erschienen. Mit leicht gebremstem Lob beschreibt Yeats Eliots Verse als größtenteils »rhythmisch uninteressant« mit »monotonem Akzent«, also völlig passend für unsere »graue, kalte, trockene« moderne Welt. (Webber hatte das sicherlich auch gelesen, ehe er Eliot als großartigen Songschreiber heilig sprach.) Eliots Kunst, meinte Yeats, komme ihm vor wie ein »Gemälde von Monet« (der Katzen liebte) und flöße ihm eine tiefe Sehnsucht nach »lebendigen Farben und Licht« ein.
Da wir nun in diesem Abschnitt der Katzenliteratur schon einmal so weit gediehen sind, sollten wir fairerweise auch die letzten Zeilen eines Katzengedichts von Yeats zitieren (der seinerseits – vielleicht zu seinem Glück – nicht mehr unter uns weilte, als der unlyrische Eliot den Nobelpreis bekam). Yeats’
Gedicht handelt von einem Kater namens Minnaloushe, der im Mondlicht tanzt und springt:
Minnaloushe kriecht durchs Gras
Allein, ganz wichtig, furchtbar weise,
Und hebt zum wechselhaften Mond
Sein wechselhaftes Katzenaug.
Eliot lebt in vielen Essays und Biografien fort und natürlich in
›Cats‹. Ein neuerer, »heftig umstrittener« Band trägt den Titel
›T. S. Eliot, Antisemitismus und literarische Form‹ und hat einen umfangreichen Briefwechsel nach sich gezogen.
Webber beschließt seine aufschlussreichen Erinnerungen mit der Hoffnung, dass irgendwo im Himmel seine Mutter »mit meinem Vater in einer Welt voller Katzen und ohne Asthma lebt«. Und wir fügen hinzu: auch mit Yeats und Eliot, die sich über Mondrhythmen und postumen Ruhm streiten.
Und noch immer sind wir nicht am Ende unserer
Aufarbeitung des berühmten Musicals angelangt. Am 1. April 1997 stellte die Tänzerin Danielle, die in ›Cats‹ die Rolle der geschmeidigen Bombalurina spielt, einen Rekord auf: Sie war die Broadway-Darstellerin mit der längsten Folge von Auftritten – 4848 mal in ›Cats‹! Allerhand! Aber auch die Zahl der Katzen, mit denen die Schauspielerin in Jersey City zusammenlebte, war rekordverdächtig: insgesamt waren es elf.
Die – beinahe überflüssige – Erklärung der Tänzerin Danielle in einem Interview lautete: »Ich liebe Katzen!«
ANNE FRANK (1929-1945), das erstaunlich begabte jüdische Mädchen, dessen kurzes, tragisches Leben Millionen von Menschen kennen. Dank der Entdeckung ihres geheimen Tagebuchs (das sie übrigens immer mit »Liebe Kitty«
anredete) nach ihrem Tod berührte Anne Franks Bericht über den Naziterror spätere Generationen weit mehr als die Berichte von Erwachsenen, die diese Zeit überlebt hatten, oder von Historikern. Und das ist auch heute noch so.
Mohrchen, Mouchi und Moffi waren Katzen, die kurze Zeit mit Anne Frank zusammenlebten. Wenn man sich Anne Franks Geschichte auf dem Umweg über ihre Verbindung zu den Katzen nähert, sieht man natürlich nur einen Teilaspekt. Es bleibt aber die Tatsache, dass die Katzen da waren – Teil ihres Lebens wie so vieles andere, und sehr oft in ihrem Tagebuch erwähnt. Jedenfalls können wir so dieses Mädchen noch einmal und noch anders kennen lernen, ein Mädchen, das wusste, dass es eine Künstlerin war, ein Mädchen, das ewig leben wollte.
Mohrchen war Annes Katze, als die Familie Frank in Amsterdam noch frei leben konnte. Sie waren 1933 nach der Machtergreifung der Nazis aus Deutschland hierher gezogen.
Und wie Anne ganz ausdrücklich schreibt, war Mohrchen, ihr lieber kleiner Kater, »das Einzige, wovon ich Abschied nahm«, als die Familie sich von ihrem Zuhause in das Versteck begab.
Mouchi, ein Kater, gehörte Peter, dem 16-jährigen jüdischen Jungen, dessen Familie das Versteck mit den Franks teilte.
Anne beschloss, sich in Peter zu verlieben – sie hatte keine andere Wahl –, und seine Katze spielte bei Annes Analyse von Peters Gefühlsleben eine wichtige Rolle. Wie wir sehen werden, diskutierten Anne und Peter auf dem Umweg über Mouchis Geschlecht auch über Sex.
Moffi war ein Arbeitskater, der bereits im Lagerhaus lebte, als die Franks dort ihr Versteck bezogen, in dem sie für Jahre bleiben sollten. Moffi sollte Ratten und Mäuse fangen; selbst hatte er Flöhe. All dies findet sich in Annes Aufzeichnungen über ihr Leben. Sie ist nicht katzenverrückt oder -besessen.
Wie könnte sie auch,
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