Chaplins Katze, Clintons Kater
hatte sie doch in ihren Gedanken und Gefühlen wahrhaftig mit sich selbst und mit der ganzen Welt genug zu tun. Und doch erscheint Mohrchen ganz am Anfang von Annes Tagebuch.
Wir schreiben den 14. Juni 1942, Annes 13. Geburtstag. Sie ist zu aufgeregt, um noch im Bett zu bleiben, und steht schon vor der erlaubten Zeit (sieben Uhr) auf. »Dann hielt ich es aber nicht mehr länger aus. Ich lief ins Esszimmer, wo Mohrchen, unser kleiner Kater, mich mit heftigen Liebkosungen begrüßte.«
Die erste Ausgabe von Anne Franks Tagebuch erschien kurz nach dem Krieg in den Niederlanden. Das Tagebuch wurde dann viele, viele Male übersetzt und neu herausgegeben und auf der ganzen Welt sind unzählige Fassungen verbreitet, für die Bühne, für den Film und für das Fernsehen bearbeitet. Im Jahre 1986 erschien eine »kritische Ausgabe«, die als »die für die Forschung nützlichste« erachtet wird, und eine neue
»definitive Ausgabe« kam im Jahre 1995 heraus.
Annes Text, aus dem so viel Mut, Sorge, Bescheidenheit, Selbstvertrauen, Vernunft, Humor, Menschenliebe, Nachdenklichkeit, Erinnerungen, Entwicklungen und Pläne für die Zukunft sprechen, stand leider nach dem Holocaust im Zentrum zahlreicher menschlicher Konflikte: juristische Auseinandersetzungen zwischen Überlebenden der Familie und den Drehbuchschreibern über »Rechte«, Kämpfe innerhalb der Familie darüber, was veröffentlicht werden sollte und was nicht und aus welchem Grund.
Doch zurück zu den Vierbeinern: Mohrchen verschwindet, wie wir schon gehört haben, bald aus Annes Geschichte. Drei Wochen später berichtet Anne in einer Zeit, in der sie mit ihrer jungen Liebe, Schulprüfungen und der Bedrohung ihrer Familie und ihres Landes zu kämpfen hat, von der Flucht ihrer Familie in die zeitweilige Sicherheit bei den wunderbaren niederländischen Freunden:
Ich kannte nämlich immer noch nicht den geheimnisvollen Ort, der uns aufnehmen sollte… Um 7.30 Uhr schlossen auch wir die Tür hinter uns. Das Einzige, wovon ich Abschied nahm, war Mohrchen, mein lieber kleiner Kater, der eine neue gute Heimat bei Nachbarn bekommen sollte.
Mohrchen wurde also nicht ausgesetzt und musste für sich selbst sorgen, was ja nur zu verständlich gewesen wäre, wenn man bedenkt, was diese und so viele andere Familien in jenem Sommer 1942 durchmachten. Nein. Am 8. Juli 1942 bezogen die Franks das sorgfältig ausgewählte Versteck, das sie vor den Nazis verbergen sollte, und Anne notierte, welche Vorkehrungen man getroffen hatte, damit Mohrchen ein gutes neues Zuhause bekommen würde. Man hatte alles für den Nachbarn auf einen Zettel aufgeschrieben. Und nicht nur einen Zettel gab es. Auf dem »Küchentisch stand ein Pfund Fleisch für die Katze«.
Wie alle Welt weiß, folgten zwei Jahre in der Sicherheit ihres Geheimverstecks. Dann wurde die Familie verraten und Anne starb im März 1945 im Konzentrationslager Bergen-Belsen, zwei Monate, bevor Holland befreit wurde und drei Monate vor ihrem 16. Geburtstag.
Der Kater Mohrchen bleibt also auf immer »das Einzige«, wovon Anne Abschied nahm. Und jenes Pfund Fleisch war im vom Krieg zerrissenen Europa wahrhaftig kein kleines Abschiedsgeschenk.
Nun kam Mouchi, zusammen mit Peter, einem »ziemlich langweiligen und verlegenen Burschen von 16 Jahren«, und seinen Eltern, die zu den Franks in ihr Versteck im Verwaltungsgebäude eines Lagerhauses zogen. Zunächst interessiert sich Anne nicht besonders für den Jungen und äußert sich sehr kritisch über ihn. Doch dann berichtet sie mehr und mehr von Peter und seiner Persönlichkeit, von seiner
»Akrobatik« mit Mouchi und seiner Jagd auf Mouchis Flöhe.
Nach einigen längeren Gesprächen mit Peter, die beinahe schon Flirts waren, schreibt sie: »Jetzt verstehe ich besser, warum er Mouchi immer umarmt. Er braucht Zuneigung.«
(Meint sie nun Mouchi oder Peter?)
Aber es war Moffi, der Rattenfänger, der zu einer Unterhaltung über Sex zwischen Anne und Peter führte. Anne, ihre Schwester Margot und Peter schälten gerade auf dem Speicher Kartoffeln, als das Gespräch auf Moffi kam. »Wir wissen immer noch nicht, ob Moffi ein Kater oder eine Katze ist«, bemerkte Anne im Plauderton. Doch, meinte Peter, Moffi sei ein Kater.
Anne lachte und meinte, das sei ein schöner Kater, der in anderen Umständen sei. Denn noch vor einigen Wochen hatte Peter erklärt, dass Moffi bald Junge kriegen würde, weil sie so dick war. Doch die Jungen ließen auf sich warten.
Wahrscheinlich kam der dicke
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