Chaplins Katze, Clintons Kater
Fußboden«. Kein Computer, keine Katze.
Mysouff war wohl gerade außer Haus.
Ich konnte kaum einen Schritt machen, weil ich Angst hatte, auf die Manuskriptseiten zu treten. Ich wartete zehn, fünfzehn Minuten, während er weiterkritzelte und ab und zu laut rief: »Viva! Bon, mon garcon! Excellent, Alexandre!«
Mit einem Ruck, der einem Erdbeben glich, wälzte er schließlich seinen massigen Riesenleib aus dem Bett, schlang die Decke wie eine Toga um sich und kam in diesem Aufzug auf mich zugeschritten, dabei deklamierend, so laut er nur konnte.
Erschreckt wich der Besucher zur Tür zurück. Aber Dumas setzte ihm in großen Sätzen nach, packte ihn beim Revers, rüttelte ihn sanft und fragte:
»Nun, ist das nicht herrlich, he? Großartig! Würdig eines Racine!« Sobald ich wieder Luft schöpfen konnte, stimmte ich ihm zu, es sei in der Tat wunderbar. »Es ist mein neues Stück«, erklärte er. »Ich schreibe einen Akt, manchmal sogar mehr, noch vor dem Frühstück. Der dritte Akt ist gerade fertig geworden.«
T(HOMAS) S (TEARNS) ELIOT (1888-1965), englischer Dichter und Kritiker (allerdings in St. Louis, Missouri, geboren), 1948
mit dem Nobelpreis geehrt. Unter seinen zumeist
melancholischen Gedichten, in denen die Desillusionierung und Verzweiflung der modernen Zeit zum Ausdruck kommt, sind doch die bei Millionen von Menschen auf der ganzen Welt bekanntesten Gedichte ausschließlich Katzenlyrik. Eine ganze Heerschar außerordentlich verschiedener Katzen tummelt sich nämlich in ›Old Possums Katzenbuch‹, einer 1939 erschienenen »weniger bedeutenden« Sammlung von Gedichten Eliots.
Aus dem Eliot der Intellektuellen wurde postum der Verfasser von populären Songtexten, weil Andrew Lloyd Webbers Mutter ihren Söhnen, als sie noch klein waren, Eliots Gedichte vorlas. Wir haben also das Musical ›Cats‹ der Katzenliebe von Webbers Mutter und ihrer Vorliebe für Eliots Gedichte zu verdanken. ›Old Possums Katzenbuch‹ hat der kleine Andrew jedenfalls nie vergessen. Eliots wunderbar rhythmische Verse, meint Webber, »gehören zu den besten Songtexten, mit denen je ein Komponist das Glück hatte zu arbeiten, denn Songtexte sind es auf jeden Fall«.
In einem Essay mit dem Titel ›Semper Felix‹ erzählt uns Webber, dass seine Mutter Katzen »bis zur völligen Besessenheit liebte«. Sie litt stark unter Asthma, bestritt aber hartnäckig, dass die Katzen etwas damit zu tun hatten. Nein, keineswegs! Es lag am Weihrauch in der Kirche, wo Andrews Vater Orgel spielte (ein Glückspilz, der Junge: Musik vom Vater, Literatur von der Mutter). Als der junge Webber, damals etwa zehn Jahre alt, weiterhin darauf beharrte, es könne doch auch an den Katzen liegen, antwortete seine Mutter:
»Unsinn, Liebling! Das Asthma habe ich doch nicht wegen meinem Perseus. Sondern wegen diesen schrecklichen Priestern, die gepredigt haben, dass eine Katze keine Seele hat.«
Das war ziemlich unlogisch, berichtet Webber, denn sein Vater spielte schon längst nicht mehr in dieser Kirche Orgel.
Aber er fügt gleich hinzu, dass es in seinem Musical ›Cats‹
darum geht, »dass Katzen ganz bestimmt eine Seele haben«.
T. S. Eliot mochte, wie Webber von Eliots Witwe erfuhr, Hunde und Katzen. Eliots Witwe erzählte Webber, dass ihr Mann die berühmten Katzen- und Hundenamen zu seiner eigenen Belustigung dem affigen und hochnäsigen Akzent der englischen Oberklasse entlehnt hatte – wo Poor Little Dogs eben klang wie Pollicle Dogs und Dear Little Cats wie Jellicle Cats.
Für das kleine Häuflein Menschen, das Webbers
Bühnenfassung vielleicht noch nicht gesehen hat, sei hier nur erwähnt, dass Eliots ›Cats‹ eine Art Katzen-Ensemble ist. Die Mannschaft wird vorgestellt, um Katzenmenschen dabei zu helfen, Namen für ihre Katzen zu finden. Wir lernen Growltiger und Mungojerrie und Rumpelteazer kennen und natürlich Old Deuteronomy und Mr Mistoffelles und Macavity und Gus und viele andere. Mehr als einmal werden wir deutlich daran erinnert, dass »eine Katze kein Hund ist« – und umgekehrt. Wir erfahren von erbitterten Schlachten – zwischen den Pekinesen und den Pollicles (Sie erinnern sich? Die Poor Little Cats), unter Beteiligung der Möpse und Poms (Pommeraner, versteht sich).
Allzu niedlich und süß? Oder mit tiefem Symbolgehalt?
Diese Frage hätte man sich in den unzähligen Kritiken des Musicals ruhig auch einmal stellen können, denn bei Eliot sind die Dinge nie einfach das, was sie scheinen.
Eliot wurde mit dem
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