Charade - Bittersueßes Spiel
gezogen habe, küsse ich sie noch einmal auf die Stirn. »Ich rufe dich später an, okay?«
Sie antwortet nicht, und ich weiß, es liegt an ihrer Müdigkeit.
Meine Hände betteln förmlich darum, auf etwas einschlagen zu dürfen. Etwas tun,
irgendetwas
, das den Schmerz in mir verfliegen lässt.
Als ich die Schlafzimmertür erreiche, höre ich ein gekrächztes »Colton?«
Ich drehe mich um und sehe sie an. »Du kannst auf dieser Welt alles erreichen. Das habe ich immer gewusst. Vergiss das nicht.«
Etwas in mir zerbricht. Ich bin nicht derjenige, für den sie mich hält. Ich weiß nicht, ob ich das überhaupt sein will. Glücklicherweise muss ich ihr nicht antworten, denn sie ist längst eingeschlafen.
Das nächste Haus, das ich betrete, wird von einem anderen Geruch bestimmt: Alkohol, Gras und
Gott-weiß-was
. Die Musik dröhnt so laut, dass die Wände vibrieren.
»Was geht, Mann?« Adrian nickt mir zu. Er lehnt an der Wand, und ein Mädchen küsst seinen Hals.
»Hast du Spaß?« Ich grinse ihn an. Er wird nicht mehr lange mit diesem Mädchen im Wohnzimmer sein. Sie werden sich ein Zimmer, einen Schrank oder ein Auto suchen. Ich kann es ihm nicht verdenken.
»Darauf kannst du wetten«, antwortet Adrian, bevor ich weitergehe. Auf dem Weg hierher wollte ich nur allein sein, aber jetzt, wo ich unsere überfülltes, beschissenes, kleines Haus betreten habe, wird mir klar, dass ich genau das brauche: eine Ablenkung. Vielleicht von derselben Art, die sich Adrian angelacht hat.
Ich gehe auf direktem Weg zu meinem Kleiderschrank, in dem ich meinen geheimen Vorrat aufbewahre und schnappe mir eine Flasche Tequila. Damit ausgerüstet, kehre ich ins Wohnzimmer zurück, wo sofort ein Platz auf der Couch für mich frei gemacht wird. Darauf lasse ich mich fallen, während ich zugleich die Flasche an meine Lippen hebe und einige Schlucke hinunterspüle.
Keine zwei Minuten später spüre ich, wie sich jemand neben mich setzt. »Hey, Colt.«
Immer noch an die Rückenlehne der Couch gelehnt, drehe ich meinen Kopf, um Deena anzusehen. Ich habe gewusst, dass sie es sein würde. Ihr schwarzes Haar ist nach hinten zusammengebunden, und sie hat allerhand Make-up aufgetragen, aber das interessiert mich alles nicht. Sie ist genau das, was ich jetzt brauche.
»Was machst du denn hier?«
»Nach dir suchen.« Sie beißt sich auf die Unterlippe, und ich weiß, sie spielt mit mir. Das ist okay für mich. Ich würde es nicht anders haben wollen.
»Was machst du dann so weit weg?« Ich bewege mich keinen Zentimeter. Das muss ich auch nicht.
Deena lässt sich nicht zweimal bitten. Sie klettert auf meinen Schoß, und ihr Mund senkt sich auf meinen.
Scheiß auf den Tequila! Scheiß auf alles! Ich schnappe mir Deena und übernehme die Kontrolle über unseren Kuss, während ich darum kämpfe, alles andere zu vergessen.
Es funktioniert nicht. Dennoch gebe ich mein Bestes, mich selbst zu täuschen.
3. Kapitel
Cheyenne
Ich kann nicht fassen, wie grässlich es sich anfühlt, alleine den Campus zu überqueren. Ich komme mir wie eine Versagerin vor. Als wüsste jeder, was passiert ist, obwohl das vermutlich nicht stimmt.
Noch zumindest
. Das College ist nicht besonders groß, und Neuigkeiten verbreiten sich schnell.
Mein Handy vibriert. Als ich sehe, dass es Gregory ist, der mich zum millionsten Mal anruft, drücke ich auf »ignorieren«. Denkt er wirklich, dass ich mit ihm reden werde? Dass ich nach einem Tag bereit bin, mir noch mehr seiner Entschuldigungen anzuhören? Offensichtlich kennt er mich überhaupt nicht.
Habe ich ihm jemals die Chance dazu gegeben?
Plötzlich überkommt mich ein unerschütterliches Verlangen nach Koffein. Nichts hilft mir mehr, mich besser zu fühlen, als ein eiskalter Karamellmacchiato. Ich hole mein Handy hervor, um jemanden anzurufen, als mir einfällt, dass es niemanden gibt, mit dem ich Kaffee trinken gehen könnte.
Niemanden
. Ich hatte bisher nicht wirklich Gelegenheit, viele der Mädchen hier kennenzulernen. Die wenigen, die ich kenne, hat Gregory mir vorgestellt – alles Mädchen aus der Schwesternschaft, die zu seiner Studentenverbindung gehören und die Freundinnen seiner Bruderschaftskollegen. Wie dumm von mir, da mitgemacht zu haben!
Mein Herz fängt an, ein wenig schneller zu schlagen. Ich atme tief ein und versuche, mich zu beruhigen. Ich brauche nicht lange, bis ich das Café erreiche. Nachdem ich bestellt habe, setze ich mich in eine Ecke und versuche, Ordnung in das Chaos meines Lebens
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