Charade - Bittersueßes Spiel
kann. Ich verstehe es nicht. Vorgestern war sie noch in Ordnung. Hat gelacht und geredet und die Sonne genossen.
»Was ist passiert?«, schaffe ich schließlich, zu fragen.
Maggie zieht sich zurück. »Sie hat den gestrigen Tag fast nur geschlafen und musste sich oft übergeben.«
»Warum hast du mich nicht angerufen?«
»Sie hat mich darum gebeten, es nicht zu tun. Sie meinte, sie wäre einfach nur müde. Das ist ihr Recht, Colton.«
»Ich bin ihr Sohn.« Ich dränge mich an Maggie vorbei. »Ich habe auch Rechte.«
»Eine andere Krankenschwester aus dem Hospiz ist heute Morgen vorbeigekommen … Sie haben ihr noch mehr Morphium verschrieben. Es wird ihr mit den Schmerzen helfen.«
Helfen, sie zu töten, meint sie.
»Sie wollte keines nehmen, bis du hergekommen bist. Sie schläft viel, aber …«
Ich höre nicht mehr, was sie sagt, denn ich bin bereits am Ende des Flurs angekommen und gehe in ihr Zimmer.
Sie hat gottverdammte Schmerzen, weil sie auf mich warten wollte!
Ihr Kopf ist zur Seite gedreht, und ihr Blick huscht zur Tür, sobald ich den Raum betrete.
»Colton«, flüstert sie kaum hörbar. Meine Beine sind wie angewurzelt. Ich kann mich nicht rühren. Zur Hölle! Wie kann sie innerhalb von nur zwei Tagen so viel schlechter aussehen? Wie kann so etwas passieren?
Sie ist an eine Infusion angeschlossen. Ich habe sie zu Hause schon damit gesehen, aber das heute ist anders.
Mein Puls hämmert in meinen Ohren. Mein Innerstes schmerzt. Das ist Mom. Der Mensch, der immer für mich dagewesen ist. Der nichts mehr wollte, als mich glücklich zu sehen. Dass ich etwas aus mir mache. Mehr werde, als sie und mehr, als mein Dad, und nun stirbt sie. Gottverflucht!
Sie streckt ihren Arm nach mir aus. Ihre Handfläche ist geöffnet.
Beweg dich, Colt!
Ich fühle Cheys Hand auf meiner Schulter. Sie treibt mich voran. Einen Fuß vor den anderen setzend, gehe ich zu ihr. »Hey, Mom.« Meine Stimme bricht, und ich hasse mich dafür. Hasse es, nicht stärker sein zu können, während sie mich braucht.
»Hi.« Ihre Lippen sind so trocken, dass sie aufgesprungen sind. Trotzdem schafft sie es, sie zu einem Lächeln zu formen.
»Ich liebe dich.« Es kotzt mich an, dass es diese Worte sind, die aus meinem Mund kommen. Ich liebe sie, und ich will, dass sie es weiß. Allerdings sagt man das nur kurz vor dem Abschied, und ich bin noch nicht bereit, leb wohl zu sagen.
Sie antwortet nicht sofort, sondern fasst nach meiner Hand und versucht, sie zu drücken. »Ich bin müde.«
»Hast du Schmerzen?« Was für eine beschissene Frage! Natürlich hat sie Schmerzen. Mich schmerzt es bereits, sie anzusehen.
Mom nickt.
»Chey. Hol Maggie. Sag ihr, sie braucht ihre Medikamente.«
Ich halte weiter ihre Hand, während ich mich auf den Stuhl neben sie setze.
Niemand spricht. Ihre Atemzüge klingen hohl und laut.
Es ist nicht Maggie, sondern eine der Krankenschwestern, die ins Zimmer kommt und der Infusion ein Schmerzmittel hinzufügt.
Chey berührt wieder meine Schulter.
Ich beachte niemanden. Rede mit niemandem. Tue nichts, außer Mom anzusehen.
31. Kapitel
Cheyenne
Colts Mom schläft seit drei Stunden. Die ganze Zeit über hat er kein einziges Wort gesagt. Ich sitze auf dem Stuhl neben ihm. Er hält ihre Hand, seinen Kopf auf seinen Armen gebettet, die auf dem Bett liegen.
Manchmal berühre ich ihn, um ihm zu zeigen, dass ich da bin. Ich werde immer da sein. Abwechselnd streiche ich über seinen Rücken und berühre ihn am Oberschenkel, dann ziehe ich mich wieder zurück, um ihm Freiraum zu lassen.
Dennoch bleibe ich hier. Solange er an ihrer Seite bleibt, bleibe ich an seiner.
Nein, länger.
Mein Herz schmerzt für ihn. Zerbricht für ihn und für sie. Für jeden, denn diese Welt wird ohne Bev ein bisschen einsamer sein. Das weiß ich, obwohl ich sie nicht sehr lange kenne. Colts Magen knurrt, aber ich frage nicht, ob er etwas essen will. Ich weiß, er wird nein sagen.
Ich sehe Colt an. Blicke zu Bev, und plötzlich kommt mir Mom in den Sinn. Wie sie sich von mir verabschiedet hat. Wie ihre Knochen in diesen Wäldern ausgesehen haben müssen. Alleine. Ich bin erleichtert, dass Bev nicht alleine sein muss. Erleichtert, dass auch Colt und ich uns nicht selbst überlassen sein werden.
Er setzt sich weit genug auf, um sich durch die Haare zu fahren. Es ist zerzauster, als ich es jemals gesehen habe. Sein Knie springt auf und ab, aber bisher hat er noch keine Träne vergossen.
Zum ersten Mal dreht er sich zur Seite und
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