Charade - Bittersueßes Spiel
Familienmitglieder?«, fragt die Rezeptionistin.
Mich
, denke ich. Ich bin seine Familie. »Sie haben nach seinen Eltern gefragt.«
»Seine Mo…« Oh Gott. Wie konnte ich das so schnell vergessen? Bev ist tot. Sie ist erst vor ein paar Stunden gestorben. Ich schüttle den Kopf. »Nein. Seine Mom ist erst vor Kurzem gestorben.«
Sie seufzt, und ich kann erkennen, dass sie es tut, weil sie sich schlecht für ihn fühlt.
»Bitte.« Ich hasse es, zu betteln. Hasse es. In diesem Moment aber würde ich alles tun. Schwäche oder Stärke bedeuten nichts. Nur Colt ist wichtig.
Adrian taucht aus dem Nichts auf und stellt sich neben mich. Es fühlt sich so an, als wären wir ein Team. Beide lieben wir den Mann in der Notaufnahme. Es ist verrückt, weil ich ihn kaum kenne. Er ist oft in der Nähe und raucht eine Menge Gras. Ich hätte nie gedacht, dass er einer dieser Menschen ist, mit denen ich befreundet sein könnte, aber ich habe auch nicht damit gerechnet, mich in Colt zu verlieben. Die beiden sind bessere Männer, als Gregory und seine Freunde es jemals sein könnten.
»Sagen Sie es uns«, sagt Adrian, seine Stimme voller Schmerz.
Die Frau seufzt erneut. »Nachdem ihr diejenigen seid, die ihn hergebracht haben, denke ich, es ist okay. Lasst mich die Schwester holen.«
Sie schlüpft durch die Tür. Erneut laufe ich auf und ab. Ich habe so viele Tränen vergossen, inzwischen ist mein Gesicht wieder trocken, aber das ändert nichts daran, wie ich mich innerlich fühle. Ich zerbreche hier drin.
Die Schiebetür öffnet sich, und es ist die Ärztin mit den kurzen, blonden Haaren, die zu uns kommt.
Adrian legt einen Arm um mich. Ob er es macht, um mir Halt zu geben oder ihm selbst, weiß ich nicht.
»Sie sind seine …«
»Verlobte«, lüge ich.
»Wir haben ein paar Tests gemacht«, beginnt die Ärztin. »Da ist eine leichte Schwellung und eine Blutung in seinem Gehirn. Das Blut ist dort eingeschlossen und kann nicht abfließen. Sobald die OP vorbei ist, wird er auf die Intensivstation gebracht. Wir lassen ihm ein paar Tage Zeit und machen in der Zwischenzeit noch ein paar Tests. Bis dahin werden wir nicht viel erfahren.«
Meine Beine geben nach, aber Adrian hält mich aufrecht. »Er hat sich bloß den Kopf angeschlagen!« Was lächerlich klingt, aber die Leute fallen dauernd hin und schlagen sich den Kopf an. Zuerst stand er da und plötzlich, wegen eines dummen Streits, muss er operiert und auf die Intensivstation gebracht werden.
»Unsere Köpfe sind sehr zerbrechlich. Manchmal reicht das aus. Die Wahrheit ist, er könnte aufwachen und in Ordnung sein. Keine Nebenwirkungen. Bei Gehirnverletzungen weiß man allerdings nie …«
Ob er wieder aufwacht. Oder einen Gehirnschaden hat. Ich bin sicher, es gibt noch mehr Möglichkeiten, als die, die ich kenne. Ich will sie nicht hören. »Kann … kann ich bei ihm bleiben?«
Sie nickt. »Wenn er in sein Zimmer gebracht wurde. Allerdings sind nicht mehr als zwei Besucher in den Räumen der Intensivstation erlaubt.«
Ich nicke, und sie geht zurück in die Notaufnahme.
»Kann ich dein Handy benutzen?«, frage ich Adrian. Er nickt. »Ich kenne Maggies Nummer nicht. Wir sollten sie anrufen.« Unfassbar, wie gefasst ich klinge. Ich fühle mich, als würde ich in tausend Teile zerbrechen.
»Behalt mein Handy. Ich gehe los und sage es ihr. Gib mir die Schlüssel zu deinem Wagen, und ich hole mir deines.«
Ich gebe ihm die Schlüssel. Adrian wartet nicht darauf, dass ich mich bedanke. Er geht.
Ich lasse meine Finger über den Bildschirm flitzen. Es ist spät, aber Tante Lily hebt beim zweiten Freizeichen ab. »Hallo?«
»Lily. Ich bin’s, Chey. Bitte komm. Colt ist verletzt. Ich brauche dich.«
Ich sitze an Colts Bett und halte seine Hand auf dieselbe Weise, wie er die Hand seiner Mom gehalten hat. Es ist nicht richtig. Nicht fair, das lerne ich aus all diesen Situationen – vielleicht habe ich auch immer schon gewusst, dass das Leben niemals wirklich fair ist.
Adrian sitzt im Wartezimmer. Er ist nach draußen gegangen, damit Lily sich zu mir setzen konnte. Ein Schlauch steckt in Colts Hals, der ihm beim Atmen hilft. Viele weitere Knöpfe und Maschinen. Sie piepsen. Jedes Mal, wenn ein Alarm losgeht, zucke ich zusammen. Wir wissen nicht, wann oder ob er überhaupt wieder aufwachen wird.
Ich kann meinen Blick nicht von ihm losreißen. Sein Haar, sein Mund. Ich will seine Wange berühren. Ihn küssen. Ihn halten. Wie konnte es nur passieren, hier zu landen? Nach Bevs
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