Charade - Bittersueßes Spiel
leid.«
Erneut küsse ich sie. »Mir auch.«
Tageslicht ist gekommen und gegangen. Inzwischen ist es wieder Nacht, und Mom ist nicht mehr aufgewacht.
Maggie und die Hospizkrankenschwester kommen und gehen. Geben ihr Medikamente. Trauriges Lächeln.
Ihre Hand hält meine nicht mehr, daher versuche ich, ihre fest genug für uns beide zu halten.
Ich weiß, was ich tun muss. Doch jedes Mal, wenn ich den Mund öffne, kommt es nicht heraus. Also sitze ich hier. Sehe ihr beim Sterben zu. Sehe ihr beim Leiden zu. Warte.
Mom gibt keine Laute von sich, abgesehen von ihren Atemzügen, die beinahe schmerzhaft klingen.
Verflucht, tu es!
Ich sehe zu Cheyenne hinüber, sie beobachtet mich. Mit meinem Blick versuche ich, ihr zu sagen, dass ich sie gehen lassen werde. Sie schickt mir ein kleines Nicken.
Ich habe eine Scheißangst, aber ich bin auch stolz, es zu tun. Stolz, sie freizulassen. Ihr Sonnenschein zu ermöglichen.
Ich lehne mich nach vorne, mein Mund ist direkt neben ihrem Ohr. Meine Worte sind leise, nur für sie und mich bestimmt. »Das letzte Mal, als du gefragt hast, habe ich gelogen, aber ich will, dass du weißt – ich bin glücklich. Du hast mich nie zu etwas gedrängt, wen ich es nicht gebraucht habe. Du hast mir alles gegeben, und ich schwöre bei Gott, ich werde dich stolz auf mich machen. Für dich … und für mich auch. Ich liebe dich …« Meine Stimme bricht. Die Worte entriegeln den Damm, der meine Tränen zurückgehalten hat, und schließlich weine ich. Weine für sie. Für mich. Für die ganze verdammte Welt, die sie verlieren wird. »Ich bin glücklich und werde okay sein. Ich werde für mich leben, aber für dich auch. Du musst dir keine Sorgen um mich machen. Du kannst gehen … Ich habe Cheyenne, und verflucht ja, ich liebe sie. Gott. Ich sollte gerade nicht fluchen, aber ich liebe sie. Das tue ich. Wir werden okay sein.«
Ich schwöre, ihre Hand drückt meine. Sonst bewegt sich nichts. Ihre Atmung verändert sich nicht, aber ich bin sicher, sie hört mich. Weiß, sie ist stolz auf mich. Ich bin stolz auf mich.
»Ich liebe dich. Ich bin okay«, sage ich erneut.
Ich verflechte meine Finger mit ihren und sitze auf der Bettkante. Ich sehe zu Cheyenne, und sie kommt zu mir.
Setzt sich hinter mich, eine Hand auf mir, eine auf Mom.
Dann warten wir.
Sekunden.
Minuten.
Eine halbe Stunde.
Ihre Atmung verlangsamt sich. Wird leiser.
»Ich bin okay«, sage ich wieder. Hebe ihr Handgelenk hoch und küsse meinen Namen, der dort steht.
Ein weiterer Atemzug.
Ich warte.
Und warte.
Sie atmet nicht wieder ein.
Sie ist gegangen.
35. Kapitel
Cheyenne
Colt ist stumm, während die Hospizschwester einen Anruf tätigt. Er ist still, während Maggie weint. Ich fürchte mich zu Tode, dass er sich von uns zurückziehen wird. Dass er weglaufen wird. Dann fühle ich mich schlecht, weil ich überhaupt daran denke. Bev ist gegangen. Seine Mom ist gerade gestorben. Er hat sie gehen lassen.
»Ich muss hier raus«, sagt er endlich.
Wir verlassen das Apartment und steigen in den Wagen. »Kannst du Adrian anrufen?« Er sieht mich nicht an, während er spricht, also sieht er mein Nicken nicht.
Ich hebe mein Handy auf und rufe an. »Kannst du sicherstellen, dass das Haus leer ist?«, frage ich und kann verstehen, warum Colt will, dass niemand da ist, wenn wir nach Hause kommen.
»Schon passiert«, antwortet Adrian.
Ich wundere mich nicht, woher er es wusste, denn es spielt keine Rolle. »Danke. Das wissen wir zu schätzen.«
»Kümmere dich um meinen Jungen.«
Ich höre ihn einatmen und schüttle den Kopf, weil er sich vermutlich gerade Gras in die Lunge saugt.
»Das werde ich.«
Ich versuche, das Handy in den Getränkehalter zu stecken, aber es fällt zwischen die Sitze und auf den Boden. Ich lasse es dort. Es ist gerade nicht wichtig. Nichts ist wichtig, nur Colt.
Den ganzen Weg nach Hause liegt seine Hand auf meinem Oberschenkel. Ich frage mich, ob er die Verbindung genauso braucht, wie ich. Zu wissen, obwohl es wehtut, dass da immer noch jemand an meiner Seite ist. Für ihn muss diese Situation noch viel schlimmer sein.
Wie versprochen, sieht das Haus leer aus, als wir dort ankommen. Dunkel. Nicht mal das Licht auf der Veranda ist an.
Colt lässt mich los und steigt aus, wo er stehen bleibt. Ich wünschte, ich wüsste, was ich für ihn tun könnte. Einen Weg zu finden, um den Schmerz zu lindern.
Nachdem ich ausgestiegen bin, gehe ich auf die andere Seite des Wagens.
»Ich kann nicht glauben,
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