Charlie und der Diamantenraeuber
Lokal
»Twins«
vorbeifahren, erzählt er, dies sei ein Restaurant von Zwillingen nur für Zwillinge. Verrückt. Wir würden dort also nicht bedient werden. Wir wenden und fahren
downtown
bis zum
Empire State Building
. Es ist 1250
feet
hoch. Was? Die messen hier in »Füßen«? Ich staune.
Wir fahren mit einer Horde Japanern und anderen Deutschen mit dem
skyride
in den 102. Stock hoch. Oben auf der Plattform, die rings um die Kuppel führt, pfeift uns dann ziemlich der Wind um die Ohren.
»Ist das nicht atemberaubend?«, fragt Ulli. »Ursprünglich sollten hier an der Spitze Luftschiffe andocken.«
»It’s really breathtaking!«
, murmelt eine Frau neben uns.
Der Blick ist etwas getrübt, da man vorsorglich in etwa zwei Metern Höhe Gitter zur Sicherheit angebracht hat. Aber es gibt silberne Fernrohre, deren Gucklöcher ein bisschen wie Augen ausschauen. Ulli wirft Münzen in den mundähnlichen Schlitz ein und wir gucken fasziniert nach unten auf die ameisengroßen Menschen, während uns der Wind gnadenlos um die Ohren pfeift und die Haare zerzaust.
Ulli zeigt uns die kahle Stelle
»Ground Zero«
.Das ist der Ort, an dem früher, vor dem Anschlag am 11. September 2001, das
World Trade Center
stand. »Das
World Trade Center
war das höchste Gebäude in den USA, jetzt ist es wieder der
Sears Tower
in Chicago und dann das
Empire State Building
.«
Ich sehe die grüne Freiheitsstatue von
Liberty Island
. Von hier oben sieht sie nur noch so groß aus wie eine Barbiepuppe.
»Die
Statue of Liberty
haben die Einwanderer als Erstes gesehen, wenn ihr Schiff hier im Hafen ankam«, sagt Ulli. »Sie ist bis heute ein Symbol für Freiheit.«
Freiheit. Ich muss an Lin denken, die jetzt hinter Gittern sitzt.
Wir stehen noch eine Weile auf dem
Empire State Building
und genießen diesen wunderbaren Blick. Ulli zeigt uns den
Central Park.
Dort können wir Karussell fahren, dann ins Naturkundemuseum oder ins
Guggenheim
gehen. Das
Guggenheim
ist auch ein Museum und hat eine witzige Form wie eine weiße Spirale. Ulli will mit uns im
Rockefeller Center
Schlittschuhlaufen, ins Macy’s
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zum Einkaufen gehen und mit der
subway
bis
Long Island
fahren. Obwohl das alles total interessant klingt, brauche ich eine Pause. Gehorsam blicke ich durch das Fernrohr und schaue auf diese Stadt, die »niemals schläft« – wie Ulli sagt –, und merke, wie meine Augen glasig werden.
Es wird hier oben auch allmählich zu kalt. Zum Glück klingelt Ullis Handy. Steffi ist dran. »Ja! Nein, ich glaube nicht . . . Ach, meinst du?«, sagt Ulli schuldbewusst und beendet das Gespräch. »Steffi meint, ich hätte euch am ersten Tag viel zu viel zugemutet.«
Hanna beteuert, dass dem ganz und gar nicht so wäre, und Timmi behauptet, er wäre fit wie nie. Natürlich stimme ich zu. Es war toll, aber etwas geschafft bin ich schon.
»Die ganzen Eindrücke, die Menschen – ich bin für heute platt«, seufzt eine Deutsche im Fahrstuhl. Ich weiß genau, wie sie sich fühlt.
Wir nehmen wieder ein Taxi. Ich glaube, auch Ulli ist jetzt nicht mehr ganz so wild aufs Laufen. Er behauptet aber, er würde nur uns zuliebe darauf verzichten. Diesmal geraten wir an eine spezielle Taxifahrerin. Sie hat kakaofarbene Haut, weißblond gefärbte Haare, dazu trägt sie ein lilafarbenes baseball cap
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und kaut süß duftenden Kaugummi. Vielleicht ist es auch nur ihr Parfum. Auf jeden Fall fährt sie Ullis Meinung nach viele, viele Umwege. Aber es nützt ihm nichts, dass er sie höflich darauf hinweist.
»Ma’am, excuse me, but I think, that’s the wrong way. You’d better
turn
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Sie schaltet stur in einen anderen Gang, sagt:
»Well, Mister, I don’t think so . . .«
, blinkt und fährt so weiter, wie sie es für richtig hält. Ulli murmelt was von Umweg vor sich hin. Als wir endlich vor der Schokoladenfabrik halten, müssen wir aber keinen Cent mehr zahlen als sonst, das gibt Ulli kleinlaut zu. »New York ist eben immer für eine Überraschung gut!«
Und ich denke, dass Ulli ein ganz schön misstrauischer Mensch ist. Wer weiß, was er schon alles erlebt hat!
In der Eingangshalle herrscht das nun schon vertraute Gewimmel. Hanna und ich wollten Johnny noch einmal fragen, ob ihm noch irgendetwas eingefallen sei, eine Kleinigkeit, die vielleicht Lin helfen könnte. Aber Johnny ist gar nicht da, sondern ein fremder, blonder
doorman
. Eigentlich logisch, Johnny kann ja nicht Tag und Nacht hier stehen.
Im ehemaligen Lastenfahrstuhl rattern
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