Charlie und der Diamantenraeuber
Keiner sagt etwas.
Und dann hören wir trappelnde Schritte. Schritte, die schnell hin und her gehen. Die Tür bleibt immer noch geschlossen.
»Oh Mann, vielleicht haut der jetzt gerade über die Feuerleiter ab!«, flüstert Hanna aufgeregt.
»Glaube ich nicht«, sagt Ulli. »Er weiß von Mrs Cohen, dass wir uns wegen Lins Sachen hier treffen. Weshalb sollte er weglaufen?« Er sieht unsere Blicke.
Also scheint er ihn nicht in Verdacht zu haben. Vielleicht wollte er ihm nur auf den Zahn fühlen, um etwas über Lins mögliche Schuld herauszufinden? Oder warum sonst? Wenn wir nicht bald die Lösung finden, werde ich noch ganz wirr im Kopf!
Hanna bemerkt, er könnte weglaufen, weil ihm das Ganze eine Nummer zu groß wäre.
»Weil er nämlich schuldig ist!«, sagt Nelli.
Wir starren alle zur Tür wie das Raubtier auf seine Beute, als könnten wir die Tür mit Blicken aufzaubern. Vielleicht können wir das auch, denn jetzt endlich öffnet sie sich wenigstens einen Spaltbreit.
Wir sehen Yenli vor uns stehen. Aber was ist das?!
Vor Schreck beiße ich mir auf die Lippen.
Er sieht schlimm aus. Sein Gesicht ist über und über mit roten Pusteln bedeckt, die Augen sind fiebergerötet.
Fragend schaut er uns an.
»Hi. Can I help you?«
, flüstert er. Dann scheint ihm das Telefongespräch mit Mrs Cohen einzufallen, denn er murmelt:
». . . is it about Ruth Finn?«
Steffi nickt und tritt einen Schritt zurück. Ulli stellt uns alle vor und reicht Yenli eine Tasche von Lin. Yenli öffnet die Tür ein Stückchen weiter. Er trägt einen himmelblauen Pyjama, seine Füße stecken in kuscheligen Plüsch-Hausschuhen.
»Excuse me, I’m ill«
, erklärt er und schließt erschöpft die Augen. Dann zeigt er auf sein Gesicht und stöhnt:
»Chickenpox, since the last six days. I feel bad.«
Steffi fasst sich entsetzt an die Stirn. »Windpocken! Mein Gott, die sind doch total ansteckend. Das hätte Lin euch sagen müssen, Nelli!«
Nelli verdreht die Augen und murmelt: »Mensch, immer die Anschuldigungen gegen Lin. Vielleicht wusste sie einfach nicht, dass Windpocken so ansteckend sind!«
Hanna sagt niedergeschlagen: »Wenn er seit einer Woche krank ist, kann er es ja gar nicht gewesen sein.«
»Ich glaube auch nicht, dass er es war. Guck ihn dir doch an. Der hat Fieber. Dem geht’s richtig schlecht.« Als wolle Yenli meine Worte unterstreichen, lehnt er sich schlapp an die Wand.
»What about Lin? Any news from her?«
Klingt für mich ganz wie der besorgte Bruder und nicht wie der Diamantengangster von
Chinatown
.
Dann klackern energische Schritte durch das Treppenhaus, Anwältin Cohen ist im Anmarsch. Sie entpuppt sich als große Blondine, die uns alle mit kräftigem Händedruck begrüßt.
»Hi, my name is Cohen. So sorry I’m late.«
Während die Erwachsenen Yenli kurzerhandwieder ins Bett schicken, bekommt Mrs Cohen Lins Tasche.
Wir sehen uns enttäuscht an. »Mist, wäre ja auch zu schön gewesen«, murmelt Nelli. »Was sollen wir jetzt machen?«
»Jetzt müssen wir noch Luke und Peggy checken«, sage ich. »Yenli war eben die falsche Spur.«
Und Hanna sagt: »Wenn der Fall so einfach wäre, hätte ihn die Polizei schon gelöst. Aber ich habe das Gefühl, wir sind kurz davor, das Rätsel zu knacken.« Sie nickt und kommt mir gleichzeitig mutlos vor.
Mrs Cohen spricht unterdessen über Lins Lage.
»She’s really depressed, anyway I’m going to help her. But I also need your help . . .«
»Die blauen Flecken«, sage ich zu Nelli. »Du musst ihr sagen, dass sie Lin daraufhin untersuchen lassen müssen. Wer immer bei diesem Zusammenstoß mit Ruth dabei war, muss Spuren am Körper haben.«
Gemeinsam verlassen wir alle das Haus.
Nelli fragt Mrs Cohen, ob man Lin inzwischen auf blaue Flecken untersucht hätte. Mrs Cohen lacht:
»My dear, that’s exactly what I thought! But I can
assure
54 you, they didn’t find
the tiniest
scratch
55 . She’s as
innocent
56 asa lamb!«
Das ist der Knüller! Lin wurde untersucht. Und das Ergebnis laut Mrs Cohen ist: Sie hat keinen einzigen blauen Fleck. Nicht einmal den kleinsten Kratzer!
Kapitel 10
in dem wir verkleideten Hunden begegnen und versuchen, Romy zu beschatten
Aufgeregt sehen wir uns an. »Lin hat keinen einzigen blauen Fleck an ihrem Körper!«, sagt Hanna langsam. »Mensch, das bedeutet ja, dass . . .«
»Das bedeutet, dass sie es gar nicht gewesen sein kann!«, ergänze ich ihren Satz erleichtert. »Allerdings passt das ja gar nicht mit Johnnys Aussage über
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