Charlies Planet
während wir schliefen. Aber daran zweifle ich.«
»Ich auch«, stimmte Mattie zu. Sie streckte einen Arm aus und berührte erst die bandagierte Schulter, dann die geschwollene Schädelseite, an welcher der Scout Charlie getroffen hatte. »Fühl einmal.«
Cary legte eine Hand auf die Verletzungen. Aus beiden Wunden spürte er die Hitze von Fieber in seine Handflächen dringen.
»Ich glaube, auf dem Floß wird es ihm nicht schlechter gehen als hier«, sagte Mattie. Sie sah zur Sonne auf. »Meinst du, er will den Weg fortsetzen?«
»Ich vermute es«, antwortete Cary.
Mattie erhob sich.
»Dann brechen wir besser auf, solange es noch hell ist«, sagte sie.
10.
Cary sah sie an, aber sie erwiderte seinen Blick nicht. Er nickte und stand ebenfalls auf. »Klar«, sagte er. »Wir packen und brechen auf.« Er baute das Kochgerät ab, während Mattie ihre Utensilien auf das Floß schaffte. Zuletzt trugen sie Charlie, warm eingehüllt, behutsam auf ihr Gefährt und betteten ihn neben seine Statue. Er reagierte nicht auf die Bewegung. Er atmete weiterhin schwer und hielt die Augen geschlossen. Cary löste das Floß aus der Verankerung und stieß es vom Ufer ab, steuerte es in die Mitte der Strömung, auf das breite, dunkle Wasser hinaus.
Der Tag hatte am Morgen mit Sonnenschein begonnen, und nur wenige Wolken waren in Sicht gewesen. Aber nun, als sie sich wieder auf den Weg machten, zog eine finstere Wolkendecke auf. Der Tag veränderte seine Stimmung, die Wolkenschicht schien jeden Laut ersticken zu wollen. Das Rauschen des Stromes schien aufgesogen zu werden, und kaum ein Gurgeln brach aus dem Wasser.
Die Graslandschaft, die sie mit dem Ochsenkarren durchquert hatten, wich nun immer mehr Wäldern von wachsender Dichte, die von menschlichen Einflüssen noch weitgehend verschont geblieben waren. Nur vereinzelt sah man die wuchtigen Kronen von Eichen, aber überall wuchsen Sauerborke und Dornbäume, deren Stämme Gestrüpp aus wildem Wein umschlang.
Als der Himmel sich verdüsterte – infolge der bedrohlich wirkenden Wolkenschicht und weil die Sonne nun schnell sank –, schob sich auch zwischen die Bäume an die beiden Ufern Dämmerung, und die Schatten der Baumkronen schlossen sich undurchdringlich um das Flußbett. Dunkle Farben – das Schwarz, Braun, Grau und Purpur der Bäume und Sträucher – hüllten die beiden Menschen und den Otter ein. Im Gegensatz zu der Ebene, in der es von Insekten nur so wimmelte, war es in den Wäldern seltsam ruhig. Nur selten drang ein Pfiff oder ein Jaulen aus ihren Tiefen.
»Den Scouts wäre hier unbehaglich zumute«, sagte Mattie unerwartet.
Cary musterte ihre Umgebung. Sie hatte recht. Jedermann wußte, daß Scouts Arcadia für eine langweilige, finstere Welt hielten, gleichwohl, welchen Maßstab sie wohl anlegen mochten. Die meisten eingeborenen Arcadianer schätzten dies als typische Überheblichkeit ein, wie sie jungen Siedlerwelten, die noch um die Rückzahlung ihres ersten Kredits zu ringen hatten, oftmals entgegengebracht wurde. Aber als Cary die umliegenden, dunklen Wälder betrachtete, verstand er die Empfindungen der Scouts ein wenig.
Auf sie, dachte er, muß dieser Fluß, müssen diese grauen, schwarzen, purpurnen Farben der Wälder einen erschreckenden Eindruck machen. Einen deprimierenden, besorgniserregenden, furchterfüllenden Eindruck.
»Wahrscheinlich hast du recht«, meinte er.
Während er sprach, schob sich die Sonne – inzwischen dicht über dem Horizont schon hinter den Baumkronen – durch die Wolkendecke, bevor sie endgültig unterzutauchen begann. Plötzlich wurde der Wald von einer rotglühenden Lichtflut durchdrungen, als stände der Horizont in Flammen. Der Lichtschein verschluckte die Baumkronen. Turmhoch und tiefschwarz traten die mächtigen, knorrigen Stämme gegen das Licht hervor. Es war kein furchterregender Anblick, aber die Scouts wären erschrocken aufgefahren. Doch für Mattie und Cary war dies Bild süß und schön.
Das Land, die Bäume, der Wein, die Dornen, der Fluß – alles verschmolz zu jener Art von Harmonie, die unweigerlich das menschliche Gemüt rührte. Dieser Planet Arcadia besaß Eigenschaften, die ihn liebenswert machten, vor allem, wenn man auf dieser Welt geboren war.
Bis Mitternacht hielt Cary das Steuerruder, während sie unter dem hellen Mond auf dem Strom durch die ausgedehnten Wälder eilten. Um Mitternacht löste Mattie ihn ab. Es gelang ihm gerade noch, eine Decke über sich zu breiten, bevor er
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