Charlotte Und Die Geister Von Darkling
die typische Uniform einer Gouvernante, zu tragen. Zwar legte ich sehr viel lieber helles Pastellblau mit Spitzenbesatz an oder ein dunkelgrünes Kleid mit Schleifen am Rücken, doch für meine Absichten erschien es mir das Beste, mich entsprechend zu kleiden. Ich steckte sogar Nanny Prums Brosche an.
Das Haus war dunkel und still, abgesehen von der Küche, wo Mrs. Mulbus lautstark mit Jenny schimpfte, weil der Suppenkessel nicht richtig sauber war. »Da ist noch ein Schmutzring um den Rand herum!«
Da sie eine kräftige Frau war, hob sie den Topf ohne Anstrengung und schwenkte ihn über Jennys Kopf.
»Ja, Mrs. Mulbus. Natürlich, Mrs. Mulbus.«
»Werde nicht keck mit mir, Jenny Saxon!«
»Das würde ich nie wagen, Mum!« Ohne sich vom Spülbecken umzudrehen, machte sie einen kleinen Knicks. Mrs. Mulbus schmetterte den Topf auf den Tisch und griff sich an die Brust.
»Du bist noch mein Tod, das schwöre ich bei meiner armen Seele!«
»Dann werde ich persönlich jeden Sonntagmorgen Blumen auf Ihr Grab legen.«
Diese Bemerkung ließ eine plötzliche Mordlust in Mrs. Mulbus’ Augen aufblitzen, und sie wollte wieder nach dem schweren Topf greifen.
Ich machte meine Anwesenheit bemerkbar und sagte: »Guten Morgen, Mrs. Mulbus.«
Die Köchin wandte sich von Jenny ab, die bei all dem nicht aufgehört hatte, halbherzig an den Töpfen zu schrubben; eine Tätigkeit, die nie ein Ende zu nehmen schien.
»Auch Ihnen einen guten Morgen, Mrs. Markham. Ich hoffe, wir haben Sie nicht geweckt?«
»Unsinn. Ich habe heute Morgen etwas zu erledigen.«
»So früh?«
»Ja, ich muss zurück sein, wenn die Kinder aufwachen.«
»Natürlich. Möchten Sie etwas zu sich nehmen, bevor Sie gehen?«
Für so ein großes Haus war die Küche klein, aber gut bestückt mit Körben voll Obst und frisch gebackenen Brötchen, geräuchertem Fleisch über dem Schneideblock, Stapeln von kräftig riechenden Käsen, Reihen von extra für meinen Gaumen aus einem Katalog bestellten Gewürzen aus Indien und dem Fernen Osten. Gläser mit Marmelade und Eingewecktem und große Gläsern, voll Karamellbonbons vervollständigten die Vorräte. Ich nahm mir einen Apfel und legte ihn in einen kleinen Korb, den ich mitzunehmen gedachte.
»Das reicht mir, danke.«
Die Köchin war merklich enttäuscht. Als ich das Haus durch die Hintertür der Küche verließ, konnte ich hören, wie eine neue Tirade über das Küchenmädchen hereinbrach.
»Flecken! Auf dem Silber!«
Ich kam auf meinem Weg über das Grundstück an Roland vorbei, und wir grinsten einander wegen des Geschreis in der Küche an.
»Ziemlich früh für Sie, Mam.«
»Ich möchte hoffen, dass ich noch ein wenig zu jung bin, dass Sie mich ›Mam‹ nennen.«
»Verzeihung, Mrs. Markham, ich wollte nur respektvoll sein.«
»Ich weiß, dass Ihnen das ein Anliegen ist.« Der junge Mann hatte einige Wochen vor meiner Ankunft seine Arbeit auf Everton angetreten. Es gab eigentlich keinen Bedarf für einen Gärtner, denn das Gelände war nicht so groß, aber Fredericks kam in die Jahre und würde eines Tages nicht mehr in der Lage sein, manchen Pflichten nachzukommen. Vorletzte Woche beispielsweise hatte Fredericks den Jungen gebeten, Mr. Darrow seine Lieblingszigarren zu bringen. Das war ein Alarmzeichen, denn das einzige Mitglied der Darrowfamilie, das je geraucht hatte, war Mr. Darrows Vater gewesen, und der lebte seit über fünfzehn Jahren nicht mehr.
»Roland, haben Sie seit der Nacht des Angriffes auf Nanny Prum irgendetwas Seltsames auf dem Gelände bemerkt?«
»Was meinen Sie?«
»Ich bin nicht sicher. Alles, was passierte, war so ungewöhnlich … und da der Mörder noch immer nicht gefasst ist, mache ich mir Sorgen um unsere Sicherheit.«
»Ich spaziere jeden Abend eine Weile mit dem Gewehr über das Grundstück, aber bisher bin ich auf nichts gestoßen. Nicht einmal auf den merkwürdigen Geruch, der über dem Platz lag, als es passierte. Nein, ich glaube, der Scheißkerl, der es getan hat, ist längst über alle Berge. Verzeihen Sie meine Ausdrucksweise.«
»Wenn Sie irgendetwas Verdächtiges bemerken, lassen Sie es mich unbedingt wissen. Selbst die kleinste Sache könnte wichtig sein.«
»Natürlich, Miss.«
»Ja, das klingt schon besser.«
Roland winkte und tippte an seinen Hut und wollte sich aufden Weg zum Schuppen machen, doch dann blieb er stehen und wrang seine Hände wie ein Schuljunge.
»Und wie geht es Mrs. Larken?«
»Susannah verkraftet es, so gut sie kann. Sie ist
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