Charlotte Und Die Geister Von Darkling
Arbeitgeberin mit eisigen Blicken, die schließlich in einer hitzigen Diskussion, wer nun eigentlich die Eigentümerin des Kleidergeschäftes war, dahinschmolzen. Das führte zu einer noch hitzigeren Streitfrage, wer von ihnen beiden die bessere Schneiderin war, bis schließlich beide Frauen so verbittert waren, dass sie keine Kraft mehr hatten und einander schluchzend in die Arme sanken und sich ewige Freundschaft schworen. Und Mrs. Willoughby versprach, den angeschlagenen Nervenzustand ihres Schneiderlehrlings mehr zu berücksichtigen. Ich überließ sie ihrer Versöhnung und kehrte nach Everton zurück, wo ich den Rest des Vormittags damit verbrachte, die Wünsche der Buben, ihre Mutter zu besuchen, abzulehnen.
»Aber du hast es versprochen!« James trat gegen ein Tischbein.
Ich stand an der Tafel. Flecken von weißem Kreidestaub befleckten meine Haut. Ich deutete auf die Rechenaufgabe, die ich gerade aufgeschrieben hatte.
»Und ihr habt versprochen, dem Unterricht zu folgen. Ich glaube kaum, dass eure Mutter von so faulen Kindern besucht werden möchte.« Ich deutete erneut energisch auf die Tafel. »Also, wer von euch weiß die Lösung?«
James trat noch einmal gegen das Tischbein, hob aber die Hand, um es zu versuchen.
Seine Lösung war falsch, aber es war ein Schritt in die richtige Richtung. Am Nachmittag beruhigten sich die Buben schließlich, und ich sah, wie sie immer wieder mit stummer Wehmut aus dem Fenster blickten. Ich wappnete mich gegen ihr sehnsüchtiges Verlangen, und das würde ich tun, bis ich sicher war, dass ich sie vor den Dingen hinter dem Nebelschleier schützen konnte.
Zur Mittagszeit brachte ich die Buben ins Esszimmer. Everton war erfüllt von geschäftigem Alltagsleben. Fredericks trat aus Mr. Darrows Arbeitszimmer mit würdevoller Miene. Er trug ein Tablett mit leerem Teegeschirr mit so zittrigen Händen, dass Roland neben ihm herging und Tassen und Teller auffing, bevor sie zu Boden fallen konnten. Mrs. Norman umkreiste die nervösen Dienstmägde wie ein Geier, während die jungen Frauen hektisch fegten und Staub wischten, um ihre Zornesausbrüche nicht herauszufordern.
Ich erinnerte mich plötzlich an ihre Warnung vor dem geheimnisvollen Mann, der auf mich wartete, und sagte den Jungs, dass ich ins Esszimmer nachkäme. Paul und James waren mehr als froh, mich los zu sein, da ich ihnen ganz klar gemacht hatte, dass ich vorerst meine Meinung nicht ändern würde. Ich kehrte zum Treppenabsatz zurück, wo Mrs. Norman eben mit den Fingern über das Geländer strich, in der Hoffnung im Beisein eines jungen Dienstmädchens namens Catherine Staub zu finden. Unwillig stellte sie fest, dass es sauber war. Sie entließ das Mädchen, als ich zu ihr trat.
»Guten Tag, Mrs. Markham.«
»Hallo, Mrs. Norman. Ich hatte gehofft, dass Sie mir bei einer Sache helfen können.«
Die ältere Frau wurde sofort misstrauisch.
»Und wie könnte ich Ihnen da zu Diensten sein?«, sagte sie mit mehr als einer Spur Sarkasmus.
»Ich habe mich gefragt, ob Sie mir wohl etwas über Geister erzählen könnten.« Ich merkte sofort, wie es ihr kaltes Herz erwärmte, dass die Leute an sie dachten, wenn es um okkulte Dinge ging. Aber sie bewahrte ihre herablassende Miene und hob eine Augenbraue.
»Über dieses Thema gibt es viel zu sagen. Was möchten Sie denn wissen?«
»Sind sie überwiegend gut oder böse?«
Mrs. Norman winkte ungeduldig. »Das ist eine Frage, auf die es keine Antwort gibt. Sind die Menschen überwiegend gut oder böse? Ich würde sagen, dass jeder Mann und jede Frau und jedes Kind die Anlage zu beidem in sich tragen, aber die Hinwendung jeweils nur zum einen oder zum anderen haben. Ich denke, es hängt davon ab, wessen Geist Sie sehen?«
»Ich frage mehr aus Neugier, denn aus Erfahrung. Ich hatte nicht das Glück, Besuchern von der anderen Seite gegenüberzustehen.«
Sie musterte mich eingehend.
»Ich verstehe. In diesem Fall hängt es von der Beziehung zwischen dem Geist und der Person ab, die sie heimsuchen. Geister kehren nur zurück, wenn es Dinge gibt, die sie im Leben nicht zu Ende gebracht haben. Ich glaube, ein Mensch wäre nur dann in Gefahr, wenn er entweder den Tod der Person verursacht hätte, die zum Geist geworden ist, oder ihn an der Vollendung seiner Angelegenheit in der Welt der Lebenden hindern würde.«
Ich wartete, dass Mrs. Norman weiterreden würde, aber die Sache schien für sie damit abgeschlossen zu sein. Sie zog wieder ihre Braue hoch. »Haben Sie noch etwas
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