Charlotte
Sekretärin vom alten Schlag und weiß, was sich gehört. Wollen wir uns dahin setzen?« Er zeigte auf einige Sessel rund um einen kleinen Konferenztisch.
»War das Meneer Runings Büro?«
»Ja. Ich leite die Firma, bis der Aufsichtsrat einen neuen Direktor ernannt hat. Dabei wäre ich persönlich froh, wenn der Kelch an mir vorüberginge.« Van Loon setzte sich. »Ich war sehr zufrieden mit der früheren Situation, und jetzt, wo Otto nicht mehr da ist, würde ich am liebsten aufhören, sobald es nur geht, ohne der Firma zu schaden. Das klingt nicht sehr ehrgeizig, aber es gibt nun einmal mehr im Leben. Oder, in diesem Fall, weniger.«
Ich lächelte.
»Sie können es sich so vorstellen, als verlören Sie als Polizist Ihren Partner, dem Sie vertrauten wie sich selbst und der obendrein Ihr bester und praktisch einziger Freund war. Man sieht anschließend kaum noch einen Sinn darin, weiterzumachen.«
Ich sah, wie seine Augen hinter den goldumrandeten Brillengläsern einen Moment lang in eine leere Zukunft blickten. Die Brille verstärkte noch den Eindruck eines seriösen, erfahrenen Geschäftsführers. Er war ein gedrungener Mann in den Sechzigern mit südniederländisch gefärbter Aussprache und gerötetem Gesicht, einer bläulichen, von Rhinophym geplagten Nase und einem dünnen Haarrest, den er optimal ausnutzte, indem er ihn quer über den Schädel kämmte. »Sie haben sich über mich erkundigt«, sagte ich. »Aber nicht ich habe meinen Partner verloren, es war eher andersherum.«
Er nickte. »Heleen Runings Interessen liegen mir am Herzen«, sagte er. »Ich habe die Firma Meulendijk für sie ausgesucht, und als man Sie uns dort empfohlen hat, habe ich bei gewissen Stellen Erkundigungen über Sie eingezogen. Von mir aus können wir uns übrigens ruhig duzen. Ich heiße Hennie.«
»Max.«
»Ich habe mir einige Notizen gemacht, es ist nicht viel.« Van Loon schob mir seine Aufzeichnungen zu. »Otto hatte keine Zeit mehr, mir Einzelheiten oder exakte Daten zu nennen. Das Geburtsdatum und die Adresse des Mädchens stehen in der Kindsteilforderung, mir liegt eine Kopie vor. Übrigens ist es noch keine offizielle Forderung, sondern nur die Ankündigung, dass eine solche erhoben wird. Aus unseren Akten geht hervor, dass Elisabeth Bonnette mehr als ein Jahr vor der Geburt ihres Kindes gekündigt hat.«
»Vielleicht hat er sich anderswo weiterhin mit ihr getroffen«, spekulierte ich. »Das erscheint mir näher liegend als eine Schwangerschaft von über zwölf Monaten. Den Kopf in den Sand zu stecken und zu hoffen, dass sich alles von selbst erledigt, ist eine häufige Reaktion.«
Van Loon nickte. »Ich könnte mir vorstellen, dass sein erster Impuls war, alles zu leugnen. Otto hätte alles getan, um seine Familie zu schützen. Wir haben leider kaum darüber reden können, unser Gespräch fand an dem Morgen des Tages statt, an dem er ermordet wurde. Er erwähnte, dass er einen Privatdetektiv einschalten wollte. In dem Zusammenhang habe ich übrigens auch schon die Firma Meulendijk erwähnt. Aber warum hätte er einen Detektiv beauftragen wollen, wenn er wusste, dass er der Vater war?« Er schüttelte den Kopf. »Otto hätte mir auf jeden Fall die Wahrheit gesagt, selbst in diesem kurzen Gespräch.«
»Wusste er denn restlos alles über dich?«
Van Loon lächelte, als würde er an etwas erinnert.
»Wie heißt der Rechtsanwalt, der das Mädchen vertritt?«
»Van Zon, ein Erbrechtsspezialist in Arnheim. Der Mann handelt meiner Meinung nach in gutem Glauben. Ein junges Mädchen konsultiert ihn, weist eine Todesanzeige von Runing sowie eine Geburtsurkunde vor, auf der er als Vater eingetragen ist, und fordert ihren Kindsteil am Erbe. Natürlich brauchte er weitere Angaben, nicht zuletzt, um die Höhe der Forderung bestimmen zu können, und er weiß, dass kein Notar der Welt einem xbeliebigen Anwalt Einsicht in das Testament eines Mandanten gewähren würde. Also tut er das Einzige, was er zu diesem Zeitpunkt unternehmen kann, nämlich in einem offiziellen Schreiben Informationen im Zusammenhang mit einer noch näher zu definierenden Forderung zu erbitten.«
»Wie hat der Anwalt der Runings darauf reagiert?«
»Um Zeit zu gewinnen, hat er geantwortet, dass über die Anfrage entschieden würde, sobald die Hintergründe für die Forderung geklärt seien. Das kann zwar bedeuten, dass die Testamentsvollstreckung zunächst aufgeschoben wird, doch das ist für Heleen und ihre Töchter kein Problem. Niemand hat die
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