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Charlotte

Charlotte

Titel: Charlotte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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Gattinnen reicher Geschäftsleute aus wie magersüchtige Vogelscheuchen mit ledriger Gesichtshaut, die vom zu vielen Tennisspielen und Mit-Geld-um-sich-Werfen in Monte Carlo herrührt. Diese Dame hatte Klasse und dazu jene besondere, klare Ausstrahlung, die Bildung, einen soliden Lebenswandel und einen unabhängigen Geist verrät.
    »Heleen Runing.« Sie trat zurück, blieb stehen und musterte mich.
    Ich ließ mich von ihr begutachten. Auch ich hätte mir einen Unbekannten gründlich angeschaut, bevor ich ihm meine Privatprobleme und die Frage nach der Berechtigung einer Kindsteilforderung an meiner Erbschaft anvertraut hätte.
    »Möchten Sie eine Tasse Tee?«
    »Gern, danke.«
    Sie nickte der Bretonin zu, die ihr gefolgt war und jetzt unverzüglich durch den Bogen im Esszimmer verschwand.
    »Üben Sie Ihren Beruf schon lange aus?«, fragte mich Heleen, als wir einander gegenübersaßen.
    »Etwa seit fünf Jahren. Vorher war ich bei der Polizei, davon die letzten zehn Jahre bei der Kripo.«
    »Haben Sie noch Freunde bei der Polizei?«
    Sie wollte wissen, ob ich unehrenhaft entlassen worden war oder mit einer Medaille für gutes Benehmen. »Ich wurde im Dienst angeschossen und daraufhin in den Innendienst versetzt. Mein jetziger Beruf erschien mir attraktiver, aber ich habe auch noch viele Freunde bei der Polizei.«
    Sie wollte etwas sagen, wartete aber, bis Gwenaëlle ein Tablett zwischen uns abgestellt hatte. »Danke, Gwen«, sagte sie, als die Bretonin nach der Teekanne griff. »Ich mache das schon.«
    Die junge Frau verschwand wieder. »Möchten Sie Zucker oder Milch?«, fragte Heleen förmlich.
    »Weder noch. Tee allein ist schon eine Art Strafe für mich.«
    »Möchten Sie lieber etwas Stärkeres?«
    »Nein danke, Mevrouw, nicht um diese Uhrzeit. Ich habe auch kein Alkoholproblem, wie viele meine Kollegen in der Literatur.«
    Sie lächelte. »Bitte seien Sie mir nicht böse. Ich bin ein wenig nervös.«
    Ich nickte verständnisvoll und trank von meinem Tee. »Zu meinen Aufgaben bei der Polizei gehörte es, dass ich manchmal die Nachricht vom gewaltsamen Tod oder Unfalltod eines Angehörigen überbringen musste. Ich wusste nie so recht, was ich sagen sollte. Mein Beileid zum Tod Ihres Mannes.«
    »Vielen Dank. Wahrscheinlich wissen die meisten Leute sowieso schon Bescheid, wenn zwei Polizisten mit ernster Miene vor der Tür stehen.«
    »Ja, so bleibt es einem manchmal erspart.«
    Wir schwiegen für einen Augenblick.
    »Etwa eine Woche, bevor mein Mann ermordet wurde, tauchte hier plötzlich ein Mädchen auf«, begann sie ohne Überleitung. »Sie ist im selben Alter wie meine Tochter Lily, achtzehn. Sie behauptete, sie sei die Tochter meines Mannes, und ist im Besitz einer Geburtsurkunde, auf dem mein Mann als Vater eingetragen ist. Mein Mann hat vor seinem Tod offenbar noch einmal mit ihr gesprochen.«
    »Offenbar – wissen Sie es nicht genau?«
    »Doch, ich weiß es, aber ich war selbst nicht dabei. Ich war für ein paar Tage bei meinen Eltern in Bilthoven.«
    Ich nickte. »Haben Sie der Polizei davon erzählt?«
    »Es erschien mir nicht relevant.«
    Ich legte den Kopf schief und entgegnete: »Die Polizei neigt dazu, alle ungewöhnlichen Vorkommnisse kurz vor dem Tod eines Menschen relevant zu finden.« Die Dame inspirierte mich zu solchen Sätzen.
    »Aber der Täter wurde doch gefasst?«
    »Zumindest wurde wohl jemand verhaftet, aber solange es kein rechtskräftiges Urteil gibt, bleibt er zunächst einmal ein Tatverdächtiger.«
    Heleen Runing schaute mich nachdenklich an. Dann stand sie gemessen auf, ging ans Büfett, öffnete eine Schublade und kehrte mit einem Dokument zurück. Ich erkannte Meulendijks Logo auf dem grauen Briefumschlag. Sie zog drei, vier aneinander geheftete Seiten heraus und blätterte darin herum, bis sie fand, was sie gesucht hatte.
    »Ich erhielt diesen Vertrag von Ihrer Firma«, sagte sie. »Darin stehen Klauseln über den Schutz von Klienten sowie die Art der Geschäftsbeziehung et cetera, und mir ist aufgefallen, dass für Sie in etwa dieselben Regeln gelten wie in meinem Beruf.«
    »Sind Sie Rechtsanwältin?«
    »Psychologin.«
    Aha. »Und Sie möchten wissen, ob ich mich an diese Regeln halten werde?«
    »Besonders an den Artikel, in dem es heißt, dass Mitarbeiter der Firma unter keinen Umständen ohne die ausdrückliche Zustimmung eines Klienten vertrauliche Informationen der Öffentlichkeit zugänglich machen oder an Dritte weitergeben dürfen, sofern diese die Privatsphäre

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