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Charlotte

Charlotte

Titel: Charlotte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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denn unklar sein?«, fragte sie trotzig.
    Ich zögerte und entschied mich dafür, ganz offen und ehrlich zu ihr zu sein. »Unter Umständen wird man dich dazu auffordern, dich einem Gentest zu unterziehen.« Sie starrte mich an. »Dir ist klar, warum?«
    »Ja, natürlich«, sagte sie leise. »Die glauben nicht, dass Otto mein Vater war.«
    »Du bist ziemlich überraschend aufgetaucht.«
    »Das ist nicht meine Schuld.« Sie starrte die Brötchen an, die vor uns hingestellt wurden. »Mir wäre auch lieber gewesen, wenn meine Mutter es mir früher erzählt hätte, dann hätten wir ihn zusammen besuchen können. Sind die sauer, weil wir uns einen Rechtsanwalt genommen haben?«
    Wir. »War das deine Idee?«
    Charlotte drückte mit einem Finger auf das Käsebrötchen. »Leonoor war der Meinung, es sei mein gutes Recht und wir sollten uns am besten so schnell wie möglich melden, bevor alles verteilt und geregelt wäre. Sicher lag sie damit ganz richtig.«
    »Hast du eine Ahnung, um wie viel Geld es geht?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich fordere nichts, worauf ich kein Anrecht habe, aber ich würde gerne von zu Hause ausziehen und studieren. Ich bin mir sicher, dass Otto mir auch geholfen hätte, wenn er noch leben würde.«
    »Ich habe gehört, dass du gerne Medizin studiert hättest?«
    »Ja.«
    Ich trank von meinem Kaffee.
    »Ich finde das schrecklich, dass es jetzt nur noch um Geld geht«, sagte sie. »Meine Mutter ist ertrunken und jetzt habe ich auch noch meinen Vater verloren. Ich habe jetzt niemanden mehr.«
    Ich musterte sie und konnte keine Spur von Bosheit oder Habgier entdecken, nur Trauer. »Gehört das Boot dir?«, fragte ich.
    Sie zuckte mit den Schultern und biss in ihr Brötchen. »Ich weiß es nicht genau. Tante Marlies wollte es meiner Mutter schenken, aber Onkel Julius bestand darauf, dass sie fünfzehntausend Gulden dafür verlangte, sonst hätte sie es an jemand anderen verkaufen müssen, dann hätten sie mehr bekommen.«
    »Hast du Kontakt zu deiner Tante?«
    »Nein.« Sie verzog den Mund. »Die Familie meiner Mutter konnte sich nicht damit abfinden, dass ich zwei Mütter hatte. Vor allem mein Großvater nicht, glaube ich. Er will mit Lesbierinnen nichts zu tun haben. Tante Marlies hat meine Mutter manchmal besucht, aber sie kam nie aufs Boot, sie haben sich immer in einem Café verabredet.«
    »Hast du einen Freund?«
    Charlotte geriet einen Moment aus der Fassung und wurde verlegen wegen ihrer spontanen Reaktion, die sie aber dennoch äußerte: »Es ist nicht ansteckend, glauben Sie’s mir.«
    »Das habe ich auch nicht gemeint.«
    »Sie haben genau dieselben Vorurteile, wie mein Vater sie hatte«, erwiderte sie darauf.
    Ich lächelte. »Kann sein.«
    »Bei den meisten Jungen in meinem Alter ist es dasselbe«, sagte sie. »Bis auf ein paar wenige, die ich schon seit der Grundschule kenne. Mit denen unternehme ich manchmal etwas, hin und wieder fahren wir nach Arnheim, gehen tanzen oder ins Kino.«
    »Okay.« Ich erwiderte ihr Lächeln. »Musst du gleich wieder arbeiten?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe Zeit, diese Woche arbeite ich von acht bis eins.«
    Sie überwand allmählich ihre Verlegenheit und verstand es sehr gut, ihre Gedanken in Worte zu fassen. »Ich bin froh, dass du so offen zu mir bist«, sagte ich.
    »Ich habe nichts zu verbergen. Ich habe Mevrouw Runing einmal gesehen, und ich glaube, sie ist eine nette Frau. Sehr schick. Auch ihre Töchter sind nett, vor allem die jüngere, sie heißt Lily. Natürlich müssen sie sich erst an den Gedanken gewöhnen, aber ich hätte sie gern als Schwestern, ich meine, Halbschwestern.« Charlotte zögerte. »Ich würde mich gerne einmal mit Mevrouw Runing unterhalten. Vielleicht könnten Sie ihr das von mir ausrichten. Ich verstehe sehr gut, dass sie schockiert ist. Otto ist tot und ich möchte nichts Schlechtes über ihn sagen, aber vielleicht hätte er es ihr irgendwann einmal beichten sollen.«
    »Hast du ihn Otto genannt?«
    »Ja.« Sie dachte nach. »Vater wäre ein bisschen schwierig gewesen. Auch für mich. Er war ein Fremder, aber er hat mich abgeholt und wir sind zusammen essen gegangen und nach einer Weile war es, als hätte ich ihn schon immer gekannt.«
    »Hat er zugegeben, dass er dein Vater war?«
    Sie dachte nach. »Er hat mich jedenfalls nicht zum Narren gehalten«, entgegnete sie ein wenig trotzig und vielleicht frustriert, weil sie meine Frage offenbar nicht mit einem klaren Ja beantworten konnte. »Wir haben stundenlang

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