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Charlotte

Charlotte

Titel: Charlotte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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einer beiläufigen Geste davon ab, die Tür zuzuschlagen. »Ich bin hier, damit Sie nicht als Zeugin vor Gericht aussagen müssen.«
    Ich sah, wie sie erstarrte. »Ich mische mich nicht in die Angelegenheiten meiner Nachbarn ein, warum sollte ich als Zeugin geladen werden?«
    Ich hatte schon mein Notizbuch in der einen, den Kuli in der anderen Hand. »Ich möchte bloß wissen, ob Ihnen Besucher von Meneer Molenaar aufgefallen sind. Was ich jetzt zu Protokoll nehme, kommt in den Bericht, und dann brauchen Sie nicht mehr auszusagen.«
    Die Leute fallen auf den himmelschreiendsten Unsinn herein.
    »Nun, wenn das so ist … Ja, er bekommt manchmal Besuch. Manchmal bringt er auch jemanden mit.«
    Sicher verschanzt hinter der Tür. »Eher abends oder auch tagsüber?«
    Sie spitzte die Lippen. »Ich weiß nicht, ob der Meneer es getan hat, und ich wünsche niemandem etwas Böses, aber ich will doch hoffen, dass er wenigstens hier wegzieht«, sagte sie. »Das würde uns das Leben ziemlich erleichtern. Vielleicht ist es altmodisch, aber ich halte mich an das, was darüber in der Bibel steht.«
    »Ich verstehe. Ich bin froh, dass Sie bereit sind, mir zu helfen. Meinen Sie Herrenbesuch?«
    »Anfangs kam oft ein blonder junger Mann, aber den habe ich lange nicht mehr gesehen. Seitdem kommen die verschiedensten Typen, vor allem am Wochenende. Sie besuchen ihn oder er bringt sie mit.«
    Ich wies mit einem Nicken auf die Tür. »Sehen Sie sie durch den Spion?«
    Sie wurde tatsächlich verlegen. »Ich weiß, dass das unhöflich ist«, sagte sie. »Aber Jacobus und ich versuchen, unsere Kinder davon fern zu halten. Manchmal brechen seine Gäste gerade dann auf, wenn die Kinder morgens zur Schule gehen, und dann halte ich sie noch einen Moment hier drinnen, weil sie das nicht verstehen würden.«
    »Was denn?«, fragte ich freundlich.
    Sie schlug die Augen nieder und fuhr im Flüsterton fort. »Dass Männer sich auf den Mund küssen. Manchmal glaube ich, er macht das extra, weil er weiß, wie ich darüber denke.«
    Stef, der Provokateur. Ich nickte verständnisvoll und kritzelte irgendetwas in mein Buch. Unerwünschter Herrenbesuch. Sie schaute mir beim Schreiben zu. »So etwas gibt es nun einmal«, sagte ich heuchlerisch. »Nur noch eine kleine Frage, dann will ich Sie nicht länger aufhalten. Bekommt er auch manchmal Besuch von Frauen?«
    Sie war sichtlich froh, dass sie in mir einen Glaubensgenossen gefunden hatte. »Nicht so häufig«, sagte sie. »Meistens sind sie zu zweit.«
    »Zwei Damen?«
    Ihr Gesicht sprach Bände. »Das ist natürlich auch … Wenn er eine Party feiert, kommen mehr von denen, aber die Frauen bleiben nicht über Nacht, das wäre ja wirklich …« Sie schwieg und nickte in Richtung von Stefs Wohnung, als wolle sie erklären, dass es dort nur ein einziges Schlafzimmer gab und ihr verdorbener Nachbar vor gemischten Orgien noch gerade so zurückschreckte.
    Damenbesuch ebenfalls unerwünscht. »Sind auch in letzter Zeit manchmal Frauenpärchen gekommen?« Es war deutlich, dass ihr Stefs Verhaftung große alttestamentarische Genugtuung bereitete, und das machte ich mir eifrig zu Nutze.
    »Nein, nur eine Frau allein.«
    »Wann war das?«
    »So etwa vor einem Monat. Ich habe sie nur kommen sehen, aber sie wird wohl am selben Abend auch wieder gegangen sein.«
    »Wie sah sie aus?«
    »Ziemlich groß, dunkelhaarig, sie trug einen Regenmantel.« Wieder spitzte die Nachbarin die Lippen. »So ein gewisser Typ Frau, na, Sie wissen schon.«
    Groß, dunkelhaarig, auch nicht recht. Allmählich bekam ich vom verständnisvollen Nicken einen steifen Hals. »Wann haben Sie Meneer Molenaar zum letzten Mal gesehen?«
    »Dasselbe hat mich die Polizei auch gefragt.« Sie runzelte die Stirn. »Vor etwa drei Wochen war er ein paar Tage lang außer Haus. Die Polizei sagte, damals sei er in Belgien gewesen, und sie haben mich gefragt, wann er weggefahren ist. Aber das wusste ich nicht, ich habe ihn nur später wieder zurückkommen sehen, rein zufällig. Danach habe ich ihn nicht mehr gesehen. Später erfuhr ich, dass er am nächsten Morgen auf die Beerdigung des ermordeten Mannes gegangen ist und dort verhaftet wurde.«
    Ich deutete mit einem Kopfnicken auf den Geranienkasten. »Lassen sich die Besucher ab und zu selbst mit dem Schlüssel herein, wenn Meneer Molenaar nicht zu Hause ist?«
    Wir hatten ein gewisses Stadium christlicher Komplizenschaft erreicht und sie tat gar nicht erst so, als höre sie zum ersten Mal von dem

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