Charlotte
hier?«
»Das ist ein Verhör«, sagte Nel. »Wir dachten erst daran, guter Bulle, böser Bulle zu spielen, aber wir sind alle beide böse.«
Harry sah aus, als wolle er auf seine Rechte pochen, biss aber die Zähne zusammen und starrte die Pistole an, die Nel auf den Knien hielt.
»Du hast Stef Molenaar gekannt«, sagte ich. »Und komm mir nicht mit der Geschichte in der Garage und auf der Beerdigung.«
»Du kannst mich mal«, sagte Harry.
»Wusste Runing, dass du vorbestraft bist?«, fragte Nel.
»Ja«, antwortete er in einem Ton, als wolle er sie am liebsten erwürgen.
»Und Mevrouw Runing auch?«
»Es geht sie nichts an.«
Nel ließ eine Pause entstehen und schaute mich an. »Harrys letzter Versuch, sich bei der Justiz beliebt zu machen, war vor sechs Jahren, ein Autodiebstahl, ziemlich gewalttätig. Der Besitzer erwischte ihn auf frischer Tat und Harry hat ihn mit einem Brecheisen bewusstlos geschlagen. Er wanderte für ein Jahr hinter Gitter. Der Mann lag zwei Monate im Krankenhaus und kann bis heute nicht richtig klar denken.«
»Sieh mal einer an«, sagte ich. »Und jetzt hat er auch noch seinen Freund reingelegt?«
»Das ist völliger Quatsch!«, wiederholte Harry.
»Wir kommen gerade aus Amersfoort«, sagte ich. »Dort haben wir mit Ermittler Wasman gesprochen. Du weißt, wer das ist?«
»Er hat mich verhört, genau wie die anderen Angestellten.«
»Wir haben ihn noch nicht auf die Verbindung aufmerksam gemacht«, sagte ich. »Aber es wird ihn sehr interessieren, dass eine Nachbarin dich heute Nacht in Molenaars Wohnung hineingehen sah und die Polizei eine Stunde später einen ominösen Anruf erhielt, die Mauser läge auf Molenaars Oberboden. Man braucht nicht Einstein zu sein, um sich denken zu können, dass Wasman hier mit einem Verhaftungsteam anrückt, sobald er von diesem Zusammenhang erfährt.«
Harry war jetzt kalkweiß.
Nel spielte mit ihrer kleinen Pistole. »Hast du Runing ermordet?«
Harry wachte auf. »Nein«, antwortete er mit rauer Stimme. »Nein, verdammt nochmal. Runing war mein Chef. Was dieser Mann für mich getan hat …«
Ich unterbrach ihn: »Aber du hast Stef Molenaar von Runings Verabredung zum Golfspielen erzählt.«
»Nein, habe ich nicht!«
»Dann erklär uns wenigstens das mit den Gladiolen«, sagte Nel.
»Gladiolen?«
»Es rührt mich, dass du dir Sorgen um mein Honorar machst«, sagte ich. »Vor allem weil deine Einkünfte noch rückwirkend perdu sein werden, wenn deine Arbeitgeberin von dir und Stef Molenaar erfährt.«
Seine Augen huschten von Nel zu mir. Ich erkannte, dass er lügen wollte, und sagte: »Mach es nicht noch schlimmer, Harry.«
Er ballte die Fäuste. »Okay, ich habe ihn in einer Bar kennen gelernt.«
»Im Dorian , in Utrecht. Das ist ein Schwulenclub, Harry.«
Harry musste das erst mal verarbeiten.
»Dort hast du Stef getroffen«, fuhr Nel fort. »Nach dieser Schlägerei in der Tiefgarage. Du hast mit dem Erzfeind deines geliebten Chefs angebändelt, der dir einen Job verschaffte, nachdem du frisch aus dem Gefängnis gekommen warst, weil er glaubte, einen getreuen Leibwächter in dir zu finden.«
Harry seufzte gequält. »So war es nicht. Ich habe Stef in dem Club gesehen. Ich erschrak, als er auf mich zukam. Aber er gab mir nur die Hand und sagte, er mache denselben Job wie ich und verstehe schon, dass ich in der Tiefgarage nur meine Arbeit getan hätte. Schwamm drüber. Wir haben was zusammen getrunken und sind ins Gespräch gekommen. Er hat mir das mit dem Hotel seiner Mutter erzählt, da konnte ich ihn schon besser verstehen.«
»Und du hast ihn in Amersfoort besucht«, sagte Nel.
»Ja, na ja, auf ein Abendessen, das geht dich einen feuchten Dreck an.«
Nel ließ ihm seine bildhafte Sprache durchgehen, sie selbst hatte auch ein paar Sprüche in petto. »Mit Gladiolen. Er scheint ja ziemlich von dir angetan gewesen zu sein. Aber auf der Beerdigung deines Chefs hast du ihm trotzdem den Judaskuss gegeben.«
»Na und?« Harry beugte sich verwirrt nach vorn, verschränkte die Hände übereinander und drückte so fest zu, dass die Knöchel weiß hervortraten. »Hör mal, ich hatte Verständnis dafür, dass er Runing nicht ausstehen konnte, aber ihn deshalb gleich ermorden? Ich habe mich darüber aufgeregt, dass er auf dem Friedhof aufkreuzte, deshalb bin ich auf ihn zugegangen.«
Ich hatte unzähligen Komödienspielern gegenübergesessen, in nach Schweiß und Lügen stinkenden Vernehmungszimmern und an hundert anderen Orten, und
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