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Charlotte

Charlotte

Titel: Charlotte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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»Das kann sie nicht leiden und erzählt dann stattdessen das Blaue vom Himmel herunter.« Seine Augen wanderten über die Autos unter den Bäumen auf der gegenüberliegenden Seite. »Sie hat ja auch nicht viel im Leben«, fügte er dann hinzu. »Ich versuche schon seit Jahren, sie zu einer ehrenamtlichen Tätigkeit zu bewegen, vielleicht Altenbetreuung, was weiß ich.«
    Ich lehnte die Zigarette dankend ab, die er aus einem zerknüllten Päckchen hervorzupfte, und er zeigte mir den Weg zwischen den Maisfeldern hindurch. »In die Richtung musst du.« Jetzt, wo Hermien nicht dabei war, verfiel er in das vertrauliche Du unter Männern. Er zündete sich seine Zigarette an, hustete und wies mit einem Nicken auf meinen BMW. »Ist das dein Auto? Du kommst damit nicht ganz dorthin, aber bis zu dem Weg. In der ersten Kurve siehst du den Bauernhof, zu dem die Felder hier gehören. Kurz davor biegt ein Feldweg links ab, ich würde nicht mit dem Auto durchfahren. Wenn du an dem Weiher angekommen bist, siehst du auch gleich den Wohnwagen.«
    Ich runzelte die Stirn. »Warum hätte er hier parken sollen, wenn er angeln gehen wollte und mit dem Auto bis zum Bauernhof hätte fahren können?«
    Erstaunt erwiderte er meinen Blick. »Stimmt, darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Vielleicht wollten sie ein Stückchen spazieren gehen?«
    Ich dankte ihm und überquerte die Straße. Der Angler fing an« mich zu interessieren, und auch die Parkfrage. Neben Angelruten schleppten Angler alles Mögliche mit sich herum, Faltstühle, Sonnenschirme, Köder, Kühltaschen mit Bier und Hühnersalat, einen Behälter für die Fische, einen Kescher, Strickzeug für die Frau, Drachen und Frisbees für die Kinder. Genügend Zeug, um es nicht weiter schleppen zu wollen als unbedingt notwendig.
    Vielleicht hatte er auch gar keine Frau und keine Kinder dabeigehabt. Wenn man zu dem Weg auf der Rückseite des Golfplatzes wollte, konnte man durchaus sein Auto hier zwischen denen der Spaziergänger verstecken.
    Schmetterlinge tanzten über dem Klatschmohn und dem glänzenden Mais. Ich folgte dem Kleinen Amerikaweg und fand den Feldweg, fünfzig Meter vor einer scharfen Kurve und dem von Weiden und Pappeln umgebenen Bauernhof. Ich stellte das Auto am Straßenrand ab, steckte mein Portmonee in die Hosentasche, warf mein Jackett auf den Rücksitz, schloss das Auto ab und spazierte zwischen dem Mais und dem Weizen hindurch den Feldweg entlang. Ich wünschte, Nel wäre bei mir gewesen, und Hanna, in einem von diesen kitschigen Kinderwagen, mit dem ich nur ungern gesehen werden wollte, außer inmitten der Schmetterlinge und Bienen.
    Hanna hätte Jacoba gemocht, deren Wohnwagen inmitten von Binsenmatten und Kaninchenställen bei den knorzigen Weiden am Rande des kleinen Sees stand. Sie sah aus wie Rotkäppchens Großmutter, bevor der Wolf zu Besuch kam.
    »Die Polizei ist immer willkommen.« Jacoba schenkte Limonade in ein Glas und drückte es mir in die Hand. »Fliederbeeren und Hagebutte.«
    Sie schmeckte wie die merkwürdigste Limonade der Welt, zwischen bitter und zuckersüß. »Wunderbar«, sagte ich. »Und genau genommen bin ich nicht von der Polizei.«
    Sie wollte meinen Ausweis nicht sehen. »Hauptsache Sie sind nicht ausgerechnet der einzige Beamte, der mich hier weghaben will, weil eine alte Frau in einem Wohnwagen nicht in die Landschaft passt!« Sie lachte leise. »Ich verstecke ihn ein bisschen im Schilf. Bauer Kalfstee hat nichts dagegen, ich bezahle ihn dafür schwarz von meiner Rente.«
    Wir saßen uns an einem Eisentischchen gegenüber, auf Armstühlen in den Farben Armeegrün und Rost. Das Wasser kräuselte sich friedlich in der warmen Sonne. Ich sah keine Angler. Wasserhühner raschelten im Schilf, Frösche quakten. Vor dem Wohnwagen lag ein Ruderboot und wahrscheinlich spannte sie heimlich Netze zwischen den verwitterten Pfählen, die ein Stück weit entfernt aus dem Wasser emporragten.
    »Kommen viele Angler hierher?«
    »Gott sei Dank nicht. Nur Leute aus der näheren Umgebung, wenn sie die Stelle kennen. Meine Konkurrenz.«
    »Sie angeln auch?«
    »Es gibt hier ein paar Karpfen und schöne Plötzen. Sind Sie verheiratet?«
    »Ich habe Frau und Kind«, antwortete ich.
    »Dann gebe ich Ihnen gleich ein paar mit.«
    Wir schwiegen einen Augenblick. An diesem Ort vergaß man die Zeit. »Ist die Polizei bei Ihnen gewesen nach dem Mord, der vor kurzem auf dem Golfplatz passiert ist?«
    »Nein, aber ich habe die Sache so ein bisschen verfolgt,

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