Charlotte
seinem Schrank nach, ob sie noch da stand.«
Wasman schnaufte vor Frustration. »Fehlt nicht viel und Molenaar wird heilig gesprochen«, sagte er. »Aber erklär mir doch bitte mal, wie ein x-beliebiger Homofreund von Molenaar darauf kommt, Runing zu ermorden, einen Mann, den er wahrscheinlich noch nie gesehen hat?«
Das war die Gretchenfrage.
»Gladiolen«, murmelte Nel.
Der Ermittler blickte auf. »Wie bitte?«
Ich ignorierte Nel und lächelte Wasman freundlich an. »Das ist so ein Ausdruck von Nel, eine chinesische Weisheit. Sie will damit sagen, dass es mehrere Möglichkeiten gibt«, erklärte ich. »Ein fester Freund zum Beispiel, der Molenaar rächen wollte. Er hatte einen festen Freund, allerdings sagte die Nachbarin, sie habe ihn schon seit einer Weile nicht gesehen. In den letzten Monaten gingen diverse lose Bekanntschaften bei ihm ein und aus. An den vielen Vornamen in seinem Adressbuch wirst du noch deine Freude haben.«
Wasman ließ sich nicht auf dem Arm nehmen. »Die Abmachung lautete, dass wir nichts voreinander verbergen«, sagte er ein wenig verschnupft.
»Das haben wir auch nicht vor«, versicherte ich. »Meiner Meinung nach bist du doch schon ein ganzes Stück weitergekommen.«
»Du wolltest wohl sagen, dass wir wieder von vorn anfangen können.«
Ich spreizte unschuldig die Hände. »Ich weiß nicht, ob wir dir noch viel nützen können. Gebt ihr etwas an die Presse raus?«
»Wenn es nach mir geht, nicht. Für uns kann es nur von Vorteil sein, wenn der Täter glaubt, seine Rechnung sei aufgegangen.«
»Er wird eine Meldung erwarten, dass das Gewehr gefunden wurde.«
»Das können wir bekannt geben und uns ansonsten vage ausdrücken. Es sieht danach aus et cetera. Und ihr haltet den Mund.«
»Der Einzige, den ich informieren muss, ist mein Auftraggeber, und dann erfahre ich ja, ob ich noch weiter ermitteln soll. Faber ist absolut diskret, für ihn ist nur wichtig, ob sein Mandant unschuldig war.«
»Ich halte es immer noch für möglich, dass er einen Komplizen hatte.«
»Wir wiederholen uns allmählich«, sagte ich. »Wir sollten besser nach Hause gehen, falls du uns nicht doch noch verhaften willst.«
Er seufzte. »Führe mich nicht in Versuchung.«
Nel stand auf. »Es wäre gut, wenn uns jemand zu unseren Autos bringen könnte.«
Der Ermittler steckte sein Notizbuch weg. »Kommt mit, ich habe die Nase auch gestrichen voll.«
Eine Viertelstunde später standen wir bei unseren Autos und schauten den verschwindenden Rücklichtern von Wasmans Peugeot hinterher. Es herrschte die Stille der Stunden weit nach Mitternacht, kein Verkehr, die Glut der Straßenlaternen zwischen den Bäumen, schlafende Amersfoorter.
»Harry Bolink hatte einen freien Nachmittag«, sagte ich. »Er brachte Charlotte nach Oosterbeek, war also sowieso in der Nähe.«
»Ich würde ganz gerne ins Bett gehen«, sagte Nel.
Ich hatte ihr den Arm um die Schulter gelegt. In der Ferne begannen Glocken zu läuten und ein Güterzug ratterte über den Bahnübergang.
»Warum hätte Harry Bolink seinen Chef ermorden wollen?«, fragte ich, als es wieder still war.
»Du kannst wohl keine Ruhe geben?«, seufzte sie voll weiblicher Demut.
»Morgen kannst du ausschlafen.«
Sie öffnete ihre Autotür und schaute auf die erleuchtete Uhr im Armaturenbrett. »Was soll das heißen, morgen?«
Nel hatte keine Lust, mit zwei Autos hintereinander herzufahren, deshalb ließen wir ihren Wagen am Amersfoorter Bahnhof stehen, auf dem Parkplatz des Sechzig-Zimmer-Hotels, das Runing eröffnet hatte, um das Fuga in den Ruin zu treiben.
In der Lobby und in zwei Zimmern im obersten Stock werk brannte Licht. Die Bar war schon seit Stunden geschlossen.
Nel schlief, während ich durch den nächtlichen Verkehr gondelte. Um Utrecht herum, Vianen, die Abzweigung nach Culemborg. Ich rüttelte sie wach, weil sie die Adresse wusste, und sie lotste mich eine Ringstraße entlang und über eine Brücke in eine Allee mit unter Bäumen geparkten Autos.
Runings schwarzer Mercedes stand auch dabei. Nirgends war mehr etwas frei und ich stellte den BMW vor eine schmalere Brücke, zu der Metallpfähle die Durchfahrt blockierten. Ich suchte zwischen dem Krempel im Kofferraum nach dem praktischen Instrument namens potpook. Jedenfalls hatte es der Einbrecher so genannt, von dem ich es damals beschlagnahmt hatte. Ich ging zu dem Mercedes und legte die Hand auf die Motorhaube. Sie fühlte sich weder warm noch kalt an und ließ keinerlei Rückschlüsse
Weitere Kostenlose Bücher