Charlotte
bearbeite er täglich Forderungen an Millionenerbschaften.
Er war ein beleibter Mann mit einer Stimme wie ein Radsporttrainer. »Meneer Winter, treten Sie näher. Bitte jetzt keine Telefonate, Jetty.«
Unter den irritierten Blicken der Sekretärin stampfte van Zon vor mir her in sein Büro. Das Fenster war geschlossen, sonst hätte ich mich nur zu recken brauchen, um das Haus gegenüber zu berühren. Sein Schreibtisch war das Zwillingsmodell von dem seiner Sekretärin und stand an einer mit Gesetzestexten und Ordnern voll gestellten Seitenwand. Mir wurde ein Armstuhl aus Chrom und Kunstleder davor zugewiesen. Die Bücher sahen viel benutzt aus, vielleicht arbeitete er unheimlich hart, ohne auf einen grünen Zweig zu kommen, oder er verdiente ein Vermögen und liebte die Einfachheit.
»Lassen Sie uns direkt zur Sache kommen«, sagte er. »Soweit ich verstanden habe, sieht die Familie Probleme im Zusammenhang mit der Forderung meiner Mandantin und ich wüsste gern, welche, damit wir sie ausräumen können.«
»Ich bin gerade auf der Suche nach Ihrer Mandantin und ihrer … äh …«
»Mevrouw Brasma«, ergänzte er hilfsbereit. »Sie sind abwesend.«
»Wissen Sie, wo sie sich aufhalten?«
»Sie sind in Urlaub, Mevrouw Brasma hat nicht gesagt wo. Ich habe ihr erklärt, dass Charlottes Abwesenheit kein Problem darstellt, die Sache geht auch so ihren Gang. Meine Mandantinnen wissen, dass es eine Zeit raubende Angelegenheit ist.«
»Aber Sie müssen sie doch irgendwo erreichen können, falls die Sache vor Gericht kommt zum Beispiel?«
Er lächelte herablassend. »Im Prinzip müsste Charlotte noch nicht einmal dann dabei sein, aber ich hatte auch nicht den Eindruck, dass sie eine Weltreise planten.«
»Sie meinen, Sie können sie nicht erreichen?«
Das gab er nur ungern zu. »Wo liegt das Problem?«
»Unregelmäßigkeiten bei der standesamtlichen Anmeldung Charlottes und Zweifel an Runings Vaterschaft.«
In seine gescheiten Augen trat ein fast feindseliger Blick, als drohte ich, ihn seiner Provision zu berauben. »Meine Mandantin ist bereit, sich einer DNA-Analyse zu unterziehen«, sagte er. »Aber der Richter muss gar nicht unbedingt eine verlangen, wenn er zu der Überzeugung kommt, dass die Papiere echt sind. Wie ich hörte, hat die Gegenpartei dies bezweifelt, daher habe ich die Echtheit der Urkunden in Utrecht überprüft. Ich glaube nicht, dass es der Familie gelingt, aufgrund der Dokumente die Forderung abzuweisen. Abgesehen davon, dass er bei der Anmeldung mit seinem Namen unterzeichnet hat, hat Meneer Runing damals auch übereinstimmend mit Artikel 223 des Bürgerlichen Gesetzbuches eine Urkunde zur Vaterschaftsanerkennung unterschrieben. Damit hat er offiziell bestätigt, dass dieses illegitime Kind seines war, mit allen sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten.«
»Diese Vaterschaftsanerkennung wird jedoch null und nichtig, wenn der Vater mehr als 306 Tage vor der Geburt des Kindes mit einer anderen Frau verheiratet war«, bemerkte ich. »Der Richter kann außerdem die Klage abweisen, wenn sich herausstellt, dass die Urkunden gefälscht wurden, mit dem Ziel, den Vater später damit zu erpressen.«
Van Zon schwieg eine Weile. Ich erkannte, dass er von der Fälschung wusste oder zumindest die Vermutung hegte, dass irgendetwas nicht stimmte. »Das ist nicht so mein Gebiet«, meinte er.
»Fünf Jahre Gefängnis«, sagte ich.
Er schüttelte den Kopf. »Die Frage ist, ob es bewiesen werden kann. Falls Runing beteiligt war, tat er es wahrscheinlich, um seiner Tochter im Falle einer späteren Forderung zu helfen.«
Ich lachte. »Das wäre ein bisschen naiv gewesen. Ich kann den Betrug beweisen und Runing war nicht daran beteiligt.«
Sein wohlwollendes Lächeln verriet, dass er noch ein Ass im Ärmel hatte. »Meiner Meinung nach ist das sowieso irrelevant«, sagte er. »Der Betrug kann unmöglich von dem Mädchen begangen worden sein und daher ist sie von vornherein unschuldig. Es kann höchstens gegen die Mitwirkenden an dem Betrug vorgegangen werden, sofern diese noch am Leben sind. Wenn sich herausstellt, dass Charlotte Runings Tochter ist, und sich die Erben trotzdem widersetzen, kann sie das viel Geld kosten.«
Das klang nach einer Drohung. »Wieso?«
»Der Richter kann das vorliegende Testament für ungültig erklären und an seiner Stelle ein so genanntes Testament des Gesetzgebers ausfertigen lassen. Das bedeutet meistens, dass das gesamte Erbe zu gleichen Teilen zwischen der Witwe und den
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