Charlottes Traumpferd | Gefahr auf dem Reiterhof
aus der Box.
Isa begutachtete beide Hinterhufe.
»Ist noch nicht so dramatisch«, beruhigte sie mich. Während ich den Hinterhuf von Won Da Pie hochhielt, zog sie mit der Spritze Wasserstoffperoxid aus der Flasche, dannspritzte sie die ätzend riechende Flüssigkeit direkt in den Strahl und drückte ein kleines Stück Watte in die von der Fäule befallene Stelle. Am anderen Hinterhuf durfte ich dasselbe tun. Es ging ganz leicht.
»Pass nur auf, dass du nichts von dem Zeug an die Kleider bekommst.« Isa grinste. »Oder an dein Pferd. Dann wird es nämlich blond. Mit Wasserstoffperoxid kann man Haare bleichen.«
»Wie oft soll ich das machen?«
»Ich schaue mir die Hufe übermorgen noch mal an«, erwiderte Isa. »Vielleicht ist es dann schon gut. Auf jeden Fall solltest du nicht so viel fetten. Das Huffett schließt die Bakterien im Huf ein.«
Ich bedankte mich für ihre Ratschläge. Es war also doch nicht ganz so schlimm, wie ich befürchtet hatte.
Doro ritt gerade Corsario auf dem Springplatz. Inga lehnte an der Umzäunung und sah ihr zu. Ich schlenderte hinüber zu ihr.
»Wenn du willst, lerne ich mit dir die Theorie«, bot sie an. »Ich kann das Buch so gut wie auswendig.«
»Oh, das wäre super«, sagte ich erfreut. Zu zweit machte Lernen mehr Spaß als alleine. Wir schauten Doro und Corsario noch eine Weile zu, dann gingen wir zu uns nach Hause, denn Inga war der Meinung, dass ich im Stall zu abgelenkt sei.
»Hast du eigentlich ein schwarzes Jackett für nächste Woche?«, erkundigte sie sich beiläufig, als wir die Auffahrt entlangliefen.
»Nein«, erwiderte ich erstaunt. »Wir hatten doch ausgemacht,dass wir schwarze Pullover anziehen. Die weiße Reithose leihe ich mir von Doro.«
»Na ja, ein Jackett macht schon mehr her«, meinte Inga. »Meine Mutter hat mir letzte Woche eins gekauft. Echt schick, sag ich dir. Und ich weiß, dass auch Simon, Annika und Dani richtige Reitjacketts haben.«
Na toll! Dann würde ich wohl die Einzige mit einem schwarzen Pullover und alten Gummireitstiefeln sein. Einen Moment lang war ich sauer. Inga hätte mir ja auch mal etwas sagen können, schließlich sahen wir uns jeden Tag in der Schule und im Stall. Aber das war typisch für sie, diese Heimlichtuerei! Ich hatte plötzlich keine Lust mehr, mit ihr Theorie zu lernen, aber mir fiel auf die Schnelle keine Ausrede ein, um sie jetzt noch abzuwimmeln.
Am Morgen der Reitabzeichenprüfung wachte ich um sechs Uhr auf. Ich war sofort putzmunter und blickte hinüber zu meinem Schreibtischstuhl, über dem ein nagelneues schwarzes Reitjackett und eine weiße Reithose hingen. Daneben standen die Lederreitstiefel, die zwar gebraucht waren, aber wie neu aussahen. Gestern war Mama mit mir ins Reitgeschäft gefahren und hatte beides für mich gekauft, obwohl ich kein Wort darüber verloren hatte. Meine Eltern bezahlten wahrhaftig schon genug Geld jeden Monat für die Boxenmiete und die kleinen und großen Extras, wie Hufschmied, Wurmkuren und Impfungen, da hatte ich nicht auch noch mit Turnierklamotten ankommen wollen! Aber Mama hatte gesagt, dass dies die Belohnung für meine guten Leistungen in der Schule sei. Immerhin hatte ich selbst in Mathe eine 3 geschrieben, in Deutsch, Englisch und Geschichte sogar eine 1. Ihre Befürchtung, ich würde mich durch Won Da Pie in der Schule verschlechtern, war also unnötig gewesen.
Außer dem Jackett und den Stiefeln hatte ich noch einen Plastron bekommen, eine weiße Schabracke für Won Da Pie und weiße Reithandschuhe. Bis spät in die Nacht hatte ich Theorie gepaukt und war sicher, dass ich auf jede nochso schwierige Frage der Richter die korrekte Antwort geben konnte. Ich sprang aus dem Bett, zog die weiße Bluse, die Reithose und das Jackett an. Dazu die Stiefel, die von der Vorbesitzerin schon wunderbar eingetragen waren. Dann stiefelte ich aus meinem Zimmer hinaus und betrachtete mein Spiegelbild in dem großen Spiegel vor der Tür von Phils Zimmer mit einem zufriedenen Grinsen: Ich sah aus wie ein alter Turnierhase.
»So willst du jetzt aber wohl nicht in den Stall gehen?«, sagte meine Mutter hinter mir und ich fuhr erschrocken herum. »Bis du reiten musst, ist sonst alles schmutzig.«
»Nein, natürlich nicht«, antwortete ich. »Ich wollte es nur noch mal schnell anprobieren.«
»Du hast doch gestern schon alles zehnmal an- und ausgezogen.« Meine Mutter schüttelte den Kopf und ging nach unten, um das Frühstück vorzubereiten.
Ich zog also meine schicken Turnierklamotten
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