Charlottes Traumpferd | Gefahr auf dem Reiterhof
wieder aus, packte sie in die große Tüte des Reitsportgeschäfts und schlüpfte in Jeans und ein Sweatshirt. Um halb acht schleppte ich die Tüte hinüber in den Stall.
Falls ich geglaubt hatte, ich sei die Erste an diesem Morgen, so hatte ich mich geirrt. Die beiden Pferdepfleger Herr Schmidt und Herr Pfeffer waren schon ziemlich genervt, weil überall im Stall aufgeregte Leute herumschwirrten und ihnen im Weg standen. Ich verstaute meine Sachen im Spind und ging zu meinem Pferd. An einem Tag wie diesem war es ein eindeutiger Vorteil, eine Außenbox zu haben. Auf der Stallgasse herrschte das blanke Chaos, ich dagegen hatte in der Schmiedeecke hinter Won Da Pies Boxmeine Ruhe. Und die brauchte ich auch. Zwar hatte ich Isa schon oft zugesehen, wie sie ihren Pferden vor einem Turnier die Mähne eingeflochten hatte, aber in der Praxis war es dann doch sehr viel schwieriger, als es ausgesehen hatte. Ich fummelte ungeschickt an der Mähne meines Pferdes herum und war heilfroh, als Doro um neun Uhr auftauchte, um mir zu helfen. Um zehn Uhr sollte es mit der Dressur losgehen, bis dahin musste alles fertig sein.
Vorn, im Stall bei den Schulpferden, war die Hölle los. Alle schrien sich an, rissen sich gegenseitig das Putzzeug aus den Händen, irgendjemand brach in Tränen aus. Cordula war totenblass im Gesicht mit einem leichten Stich ins Grünliche. Sie sollte das Große Abzeichen machen, aber beim letzten Springtraining hatte Brutus nur noch verweigert. Klar, dass sie mit den Nerven am Ende war.
Schließlich schritt Alex energisch ein und schickte alle, die nicht mit einem Pferd beschäftigt waren, hinaus. Ich holte meine Kleider aus dem Spind und zog mich um. Im Flur vor dem Umkleideraum stieß ich beinahe mit Inga zusammen. Sie war ganz rot im Gesicht und außer Atem.
»Du hast ja doch ein Jackett!«, bemerkte sie spitz.
»Ich wollte nicht als Einzige einen Pullover tragen«, erwiderte ich.
Alex, Herr Stark und Herr Kessler kamen gerade die Treppe herunter, als ich in den Stall ging. Sie hatten mit den beiden Richtern im Kasino Kaffee getrunken und waren guter Laune. Ich blieb stehen und ließ sie an mir vorbeigehen. Der eine Richter war noch ziemlich jung und sah streng aus, der Ältere machte einen freundlicheren Eindruck.
Allmählich wurde ich nervös. Die Stallgasse war wie ausgestorben, dafür war im Kasino eine Menge los. Hinter den großen Scheiben drängten sich Eltern, Geschwister und zahlreiche andere Leute wie die Fische in einem Aquarium. Wir standen in der Reithalle in Reih und Glied, grinsten uns aufgeregt an. Herr Kessler hielt eine kleine Ansprache, dann schloss sich Herr Stark im Namen des Vorstands an und wünschte uns allen viel Erfolg. Zuerst waren die zehn Reiter, die sich um das Deutsche Reitabzeichen Klasse IV bewarben, an der Reihe, dann die sieben für das der Klasse III und zum Schluss Isa, die als Einzige das Deutsche Reitabzeichen der Klasse II machen wollte. Ich sollte mit Bille zusammen reiten, schon als zweites Paar nach Karsten und Ralf.
Als ich in die Sattelkammer ging, um mein Sattelzeug zu holen, das ich gestern Nachmittag auf Hochglanz poliert hatte, waren meine Knie vor Aufregung weich wie Gummi. Ich ergriff die Trense, hängte sie mir über die Schulter und zog den Sattelschoner vom Sattel. Zuerst glaubte ich, ich hätte mich vertan. Das war doch nicht mein Sattel! Wie betäubt starrte ich auf die hässlichen Ätzflecken im ehemals so herrlich glänzenden Leder. Ich zog den Sattel vom Halter und starrte stumm auf die Bescherung. Der Sattel war ruiniert, das war klar. Aber wie hatte das passieren können?
»Mensch, Lotte!« Doro kam in die Sattelkammer gestürmt. »Wo bleibst du denn? Karsten und Ralf reiten schon auf dem Platz ab!«
Ich starrte meine Freundin nur an. Ihr Blick fiel auf meinen Sattel.
»Ach du Scheiße!«, stieß sie entsetzt hervor. »Was ist das denn?« Ich spürte, wie mir die Tränen in die Augen schossen. Doro verschwand wie der Blitz und kehrte Sekunden später mit Alex zurück.
»Das ist ja eine Sauerei!«, sagte der, als er den zerstörten Sattel sah. Er schnupperte an den großen Flecken. »Da hat jemand irgendeine Chemikalie drübergeschüttet! Das darf ja wohl nicht wahr sein!«
»Was soll ich denn jetzt machen?« Ich stand unter Schock.
»Du nimmst einen anderen Sattel«, antwortete Alex kurz entschlossen und angelte nach seinem eigenen Sattel, der auf einem Halter ganz oben an der Wand hing. »Hier, beeil dich. Ich sage den Richtern
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