Charlottes Traumpferd
nachgefahren.«
»Gott sei Dank«, sagte Véronique und begann wieder zu weinen.
Der Krankenwagen war ein paar Hundert Meter weiter vorne stehen geblieben, aber der Tierarzt kam mit seinem Jeep beinahe bis zur Unfallstelle. Auf einmal war alles vollerMänner. Ich lehnte mich zitternd an mein Pferd. Erst ganz allmählich wurde mir bewusst, was ich getan hatte! Ohne zu zögern, war ich einfach losgaloppiert. Ich hatte keine Sekunde darüber nachgedacht, ob es gefährlich sein könnte oder ob ich Angst hatte!
Won Da Pie stupste mich freundlich an.
»Ich habe leider nichts für dich dabei, du tolles Pferd«, flüsterte ich und strich ihm über seinen patschnassen Hals.
Der Regen in meinem Gesicht vermischte sich mit Tränen. Was für ein Abschied von diesem herrlichen Pferd!
Die Sanitäter hoben Véronique vorsichtig auf eine Trage.
»Was ist mit meinem Pferd?«, rief sie.
»Ich werde mich darum kümmern«, beruhigte sie der Tierarzt, ein junger, braun gebrannter Mann, den ich schon einmal im Club gesehen hatte.
»Charlotte«, Véronique ergriff meine Hand, als die Sanitäter sie an mir vorbeitrugen, »das war wirklich ganz groÃartig von dir. Danke. Meinst du, du kannst die anderen nach Hause bringen?«
»Aber klar.« Mir gelang ein beruhigendes Lächeln. »Mach dir keine Sorgen, okay?«
»Okay.« Ãber ihr blasses Gesicht rannen Tränen. »Wenn nur Iseult nichts Schlimmes passiert ist.«
Die Sanitäter trugen sie zum Krankenwagen. Wenig später schaukelte das Auto davon.
Der Tierarzt hatte zwei junge Männer mitgebracht. Gemeinsam zogen sie ein Seil um die Hinterhand der Stute, wobei der Tierarzt bis an die Hüften im Wasser stand. Er hatte im Wasser die Beine der Stute abgetastet.
»Nichts gebrochen!«, verkündete er, und meine Knie wurden vor Erleichterung ganz weich.
Nachdem die beiden anderen Männer vergeblich am Seil gezogen hatten, hängten sie den Pferdeanhänger ab. Einer von ihnen fuhr rückwärts bis zu der Stelle, an der Iseult im Wasser lag. Sie schlangen das Seil um die Anhängerkupplung. Der eine Mann setzte sich hinter das Steuer und gab vorsichtig Gas. Zentimeter um Zentimeter kam das Pferd hoch, bis es schlieÃlich einen Satz machte und zitternd auf festem Boden stand. Der Tierarzt untersuchte noch einmal die Beine der Stute und führte sie ein Stück hin und her.
»Sie hat wohl nur einen schlimmen Schock«, sagte er. »Rein äuÃerlich ist nichts zu sehen. Sie hatte Glück, dass sie in den weichen Morast gefallen ist.«
Die beiden anderen Männer hatten den Pferdeanhänger wieder an den Jeep angehängt und verluden Iseult, die brav in den Hänger trottete.
»Ich möchte nicht mehr zurückreiten«, lieà sich die Engländerin vernehmen. Sie und die beiden anderen hatten den Unterstand mit ihren Pferden verlassen. »Bitte nehmen Sie mich mit.«
»Kein Problem«, meinte der Tierarzt.
Gosse dâIrlande wurde also ebenfalls verladen. Die dicke Frau sprang sofort in den Jeep, ohne uns noch eines Blickes zu würdigen, als habe sie Angst, wir würden sie für das Unglück verantwortlich machen. Die beiden Mädchen und ich saÃen wieder auf, als der Jeep mit dem Anhänger davonfuhr.
Wir ritten durch den feinen Nieselregen zurück zumClub. Die beiden Mädchen fragten mich, wie es mir gelungen war, so schnell Hilfe zu holen. Ich antwortete etwas wortkarg. So ganz hatte ich noch nicht begriffen, was alles geschehen war. Die beiden waren ziemlich beeindruckt, als sie erfuhren, dass ich gar nicht zum Club gehörte, sondern Deutsche war, die hier nur Urlaub machte. Ob sie nach diesem Abenteuer wohl noch einmal hier reiten würden? Mir war es egal.
Der Himmel klarte wieder auf und kurz bevor wir den Club erreicht hatten, zeigte die untergehende Sonne zaghaft ihre Strahlen. Der feuchte Asphalt glänzte und dampfte, der Regen hatte den Staub von Häusern, Autos und Bäumen gewaschen. Alles glänzte frisch und fröhlich, als sei nichts gewesen.
Der Geländewagen des Tierarztes mit dem Anhänger stand schon auf dem Hof, als wir ankamen. Ich sah Thierry vor der geöffneten Box von Iseult stehen. Die beiden Mädchen saÃen ab. Sie hatten es auf einmal eilig und lieÃen mich mit den beiden gesattelten Pferden alleine im Hof stehen.
Thierry kam auf mich zu. So kleinlaut und schuldbewusst hatte ich
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