Charlston Girl
finde eine Website, die günstige Versicherungsraten für kleine Firmen anbietet. Das ist typisch für ihn: Ich erwähne nur einmal ein Problem, und er findet sofort eine Lösung. Gerührt klicke ich auf »Antworten« und tippe eine kurze Mail:
Danke Charleston Boy. Sehr nett. Hoffe, Sie stauben schon Ihren Londoner Reiseführer ab. PS: Haben Sie Ihren Leuten schon den Charleston vorgetanzt?
Sofort kriege ich eine Antwort.
Wollen Sie mich etwa erpressen?
Ich muss lachen und suche im Netz nach einem Bild von einem tanzenden Pärchen, das ich ihm schicken könnte.
»Was gibt es da zu lachen?«, sagt Sadie.
»Nichts.« Ich schließe das Fenster. Ich werde Sadie nicht erzählen, dass ich mir mit Ed Mails schreibe. Sie ist so besitzergreifend, dass sie es falsch verstehen könnte. Oder schlimmer noch, dass sie mir endlose E-Mails in schrulligem Zwanziger-Jahre-Slang diktiert.
Sie fängt an, in der aufgeschlagenen Grazia zu lesen, die auf meinem Schreibtisch liegt, und einen Moment später kommandiert sie: »Umblättern.« Das ist ihre neueste Angewohnheit. Ganz schön nervig, ehrlich gesagt. Inzwischen bin ich ihre Umblätter-Sklavin.
»Hey, Lara!« Kate kommt ins Büro gerannt. »Da ist was für dich abgegeben worden!«
Sie reicht mir einen rosa Umschlag mit aufgedruckten Schmetterlingen und Marienkäfern und dem Schriftzug Tutus & Pearls. Ich reiße ihn auf und finde eine Nachricht von Diamantes Assistentin.
Diamanté meinte, das könnte Ihnen gefallen. Wir freuen uns auf Sie!
Es ist ein vorgedruckter Zettel mit Details über die Modenschau, zusammen mit einer laminierten Karte zum Umhängen, auf der »VIP-Backstage-Pass« steht. Wow, ich war noch nie ein VIP. Ich war noch nicht mal ein IP.
Ich drehe die Karte hin und her, denke an den vor mir liegenden Abend. Endlich kriegen wir die Kette! Nach so langer Zeit. Und dann...
Abrupt reißen meine Gedanken ab. Was... dann? Sadie hat gesagt, sie findet erst Ruhe, wenn sie ihre Kette hat. Deshalb hat sie mich heimgesucht. Deshalb ist sie hier. Und wenn sie die Kette hat, was dann? Sie kann doch nicht...
Ich meine, sie würde nicht so einfach...
Sie würde doch nicht einfach so... gehen?
Ich starre sie an. Plötzlich fühle ich mich ganz komisch. Die ganze Zeit hatte ich nur die Kette im Kopf. Ich habe völlig aus den Augen verloren, was danach passieren könnte.
»Umblättern«, sagt Sadie ungeduldig, und ihr Blick ist starr auf einen Artikel über Katie Holmes gerichtet. »Umblättern!«
Jedenfalls bin ich entschlossen, Sadie diesmal nicht im Stich zu lassen. Sobald ich die Kette irgendwo sehe, schnappe ich sie mir. Selbst wenn jemand sie um den Hals tragen sollte. Selbst wenn ich diesen Jemand rugbymäßig zu Boden reißen müsste. Ich stehe voll unter Strom, als ich am Sanderstead Hotel ankomme. Meine Beine sind sprungbereit, meine Hände greifbereit.
»Halt die Augen auf«, raune ich Sadie zu, als wir durch die kahle, weiße Lobby gehen. Vor uns steuern zwei dürre Mädchen in Miniröcken auf High Heels Doppeltüren an, die mit einer Unmenge von pinker Seide und Heliumballons in Form von Schmetterlingen geschmückt sind. Da muss es sein.
Als ich näher dran bin, sehe ich einen Pulk schicker junger Frauen, die Champagner kippen, während leise Musik pulsiert. Ein Catwalk zieht sich mitten durch den Raum, darüber ein Netz aus silbernen Ballons und drumherum Reihen von in Seide gehüllten Stühlen.
Ich warte geduldig, bis die Mädchen vor mir bedient wurden, dann trete ich vor ein blondes Mädchen im pinken Ballkleid. Sie hält ein Klemmbrett in der Hand und lächelt frostig. »Kann ich Ihnen helfen?«
»Ja.« Ich nicke. »Ich möchte zur Modenschau.«
Argwöhnisch mustert sie meinen schwarzen Aufzug. (Enge Hose, Spitzen-Top, kurzes Jäckchen. Ich habe es bewusst gewählt, denn alle echten Modefreaks tragen Schwarz, oder?) »Stehen Sie auf der Liste?«
»Ja.« Ich zücke meine Einladung. »Ich bin Diamantés Cousine .«
»Oh, ihre Cousine.« Ihr Lächeln wird noch frostiger. »Reizend.«
»Ich müsste sie vor der Show dringend noch mal sprechen. Wissen Sie, wo sie ist?«
»Ich fürchte, Diamanté ist beschäftigt...«, sagt das Mädchen unbeteiligt.
»Es ist dringend. Ich muss sie wirklich unbedingt sprechen. Übrigens habe ich so was hier.« Ich schwenke meinen VIP-Backstage-Pass. »Ich könnte sie auch selbst suchen. Aber wenn Sie sie für mich auftreiben könnten, wäre das eine Hilfe...«
»Okay«, sagt das Mädchen nach kurzer Pause. Sie
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