Charlston Girl
zwischen den Friseurstühlen herum, weiche Kleiderständern aus, versuche, sie irgendwo auszumachen... als ich plötzlich höre, dass es an der Tür Streit gibt.
»Das ist Bill Lington, okay?« Es ist Damian, und offensichtlich geht er gerade in die Luft. »Bill Lington. Nur weil er keinen Backstage-Pass hat...«
»Ohne Backstage-Pass kein Eintritt«, höre ich den Rausschmeißer unmissverständlich sagen. »Anweisung vom Chef.«
»Er ist der verdammte Chef«, schnauzt Damian ihn an. »Er hat das alles hier bezahlt, du halbes Hirn!«
»Was sagt du zu mir?« Der Rausschmeißer klingt bedrohlich, und ich muss grinsen, was mir jedoch vergeht, als Sadie auftaucht, mit düsterem, verzweifeltem Blick.
»Sie ist weg!«
»Was?«
»Sie ist weg!« Sadie schluckt, kriegt die Worte kaum heraus.
»Dieses Mannequin hat meine Kette mitgenommen. Sie hat versucht, ein Taxi heranzuwinken. Ich bin sofort zu dir zurückgeflitzt, konnte dich aber nirgends finden. Und bis ich wieder draußen war... war sie weg!«
»Ein Taxi ?« Sprachlos starre ich sie an. »Aber... aber...«
»Wir haben die Kette wieder verloren.« Sadie ist völlig außer sich. »Wir haben sie verloren!«
»Aber Diamanté hat es versprochen.« Panisch sehe ich mich um, suche Diamanté. »Sie hat versprochen, dass ich sie haben kann!«
Ich fühle mich ganz leer. Wie konnte ich mir die Kette schon wieder vor der Nase wegschnappen lassen! Ich hätte sie mir einfach nehmen sollen, ich hätte schneller sein sollen, cleverer ...
Aus dem Saal hört man Jubel und Applaus. Anscheinend ist die Modenschau zu Ende. Im nächsten Moment strömen die Models wieder hinter die Bühne, gefolgt von einer rotwangigen Diamanté.
»Fantastische Show!«, kreischt sie in die Runde. »Ihr seid absolute Spitze, aber echt! Ich liebe euch alle! Und jetzt wird gefeiert!«
Ich kämpfe mich durch das Getümmel zu ihr hinüber, zucke zusammen, als sich Stilettos in meine Füße bohren und schrille Stimmen mein Trommelfell durchstoßen.
»Diamanté!«, rufe ich durch das Stimmengewirr. »Die Kette! Das Mädchen ist weg!«
Diamanté macht einen eher zerstreuten Eindruck. »Welches Mädchen?«
Himmel, Arsch. Was für Drogen hat sie eingeworfen?
»Sie heißt Flora«, sagt Sadie mir ins Ohr.
»Flora! Ich suche Flora, aber offenbar ist sie weg!«
»Ach, Flora.« Diamantés Stirn glättet sich. »Ja, die will auf eine große Party in Paris. Mit dem PJ ihres Dads. Privatjet«, erklärt sie angesichts meines leeren Blickes. »Ich hab gesagt, sie kann die Sachen anbehalten.«
»Aber sie hat auch die Kette mitgenommen!« Ich gebe mir alle Mühe, nicht zu schreien. »Diamanté, bitte. Ruf sie an! Ruf sie gleich an. Sag ihr, wir treffen uns. Ich flieg auch nach Paris, wenn es sein muss. Ich brauche diese Kette!«
Einen Moment glotzt mich Diamanté an, dann blickt sie zum Himmel auf.
»Mein Dad hat recht«, sagt sie. »Du hast sie nicht mehr alle. Aber ich mag das irgendwie.« Sie nimmt ihr Handy und wählt eine Nummer.
»Hey, Flora! Babe, du warst tierisch! Und bist du schon im Flieger? Okay, hör zu. Erinnerst du dich an diese Libellenkette, die du umhattest?«
»Fußkettchen«, werfe ich ein. »Sie hat sie als Fußkettchen getragen.«
»Dieses Kettchen am Fuß?«, sagt Diamanté. »Ja, genau das. Meine verrückte Cousine will sie dringend haben. Sie kommt nach Paris, um sie zu holen. Wo genau ist die Feier? Kann sie sich mit dir treffen?« Sie hört eine Weile zu, steckt sich eine Zigarette an und zieht daran. »Ach, so. Ja. Völlig klar... natürlich.« Schließlich blickt sie auf und bläst eine Rauchwolke aus. »Flora weiß nicht, wo die Party ist. Bei irgendeinem Freund ihrer Mutter. Sie sagt, sie möchte die Kette tragen, weil sie so total gut zu ihrem Kleid passt, aber danach schickt sie sie dir per Express.«
»Morgen früh? Gleich als Erstes?«
»Nein, nach der Party, okay?«, sagt Diamanté, als wäre ich echt langsam und blöde. »Ich weiß nicht genau, an welchem Tag, aber sobald Flora sie nicht mehr braucht, schickt sie sie los. Hat sie versprochen. Perfekt, oder?« Sie strahlt, hebt ihre Hand und bietet mir einen High-Five.
Ungläubig starre ich sie an. Perfekt?
Die Kette war nur einen halben Meter vor meiner Nase. In Reichweite. Sie hatte sie mir versprochen. Und jetzt ist sie auf dem Weg nach Paris, und ich weiß nicht, wann ich sie zurückbekomme. Wie kann das in irgendeiner Weise perfekt sein? Ich merke, dass ich gleich ausflippe.
Aber ich traue mich nicht. Es
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