Charlston Girl
alles so nicht geplant war, dass es nicht so schlimm ist, wie sie vielleicht glauben mag...
»Ich habe dich gesehen!«
Sie schluchzt auf, schwer und bebend, dann fährt sie herum und ist verschwunden.
»Sadie!« Ich springe vor und greife nach der durchsichtigen Gondelwand, spähe hinaus und suche sie in den Wolken, den rauschenden Fluten der Themse, der Menschenmenge auf der Erde unter uns.
»Lara! Gott im Himmel! Was ist passiert?« Ed sieht fix und fertig aus. Plötzlich merke ich, dass auch alle anderen Leute in der Gondel nicht mehr die Aussicht genießen, sondern mich angaffen.
»Nichts!«, presse ich hervor. »Entschuldige. Ich war nur... ich war...« Als er seinen Arm um mich legt, schrecke ich zurück. »Ed, es tut mir leid... ich kann nicht...«
Nach einer kurzen Pause zieht Ed seinen Arm zurück. »Natürlich.«
Jetzt sind wir wieder unten angekommen. Mit sorgenvollen Blicken führt Ed mich aus der Gondel auf den festen Boden unter unseren Füßen.
»Also...« Er klingt ganz munter, aber ich merke, dass er beunruhigt ist. Was man ihm nicht verdenken kann. »Was ist?«
»Ich kann es nicht erklären«, sage ich betrübt. Verzweifelt suche ich den Horizont nach Sadie ab.
»Würde Ye Olde Starbucks helfen? Lara?«
»Entschuldige.« Ich höre auf, mich weiter umzusehen und konzentriere mich auf Eds sorgenvolle Miene. »Ed, es tut mir so leid. Ich... kann das nicht. Es war ein wunderschöner Tag, aber...«
»Aber... er lief nicht wie geplant?«, sagt er langsam.
»Nein! Das ist es nicht!« Ich wische mir übers Gesicht. »Es ist... es ist kompliziert. Ich muss mich erst mal sortieren.«
Ich sehe ihn an, wünsche mir so sehr, dass er mich versteht. Oder halbwegs versteht. Oder mich wenigstens nicht für völlig gestört hält.
»Kein Problem.« Er nickt. »Hab verstanden. Es ist nicht immer alles so einfach.« Er zögert, dann berührt er sanft meinen Arm. »Dann lassen Sie es uns dabei belassen. Es war ein schöner Tag. Danke, Lara. Es war sehr großzügig, dass Sie sich die Zeit genommen haben.«
Er hat sich wieder ganz auf seine förmliche, ritterliche Art zurückgezogen. Alle Wärme, alle Vertrautheit zwischen uns ist dahin. Wir sind wie entfernte Bekannte. Er schützt sich, wie mir plötzlich klar wird. Er zieht sich in seinen Bau zurück.
»Ed, ich würde Sie wirklich gern irgendwann wiedersehen«, sage ich verzweifelt. »Sobald alles... geklärt ist.«
»Das würde mich freuen.« Ich merke, dass er mir kein Wort glaubt. »Soll ich Ihnen ein Taxi rufen?« Als er die Straße absucht, sehe ich, dass seine Sorgenfalte wieder da ist, ein Zeichen seiner Enttäuschung.
»Nein. Ich bleibe noch ein bisschen hier und laufe herum, um einen klaren Kopf zu bekommen.« Ich bringe ein Lächeln zustande. »Danke. Für alles.«
Er winkt mir zum Abschied, als würde er salutieren, dann taucht er in der Menge unter. Ich starre ihm hinterher, bin am Boden zerstört. Ich mag ihn. Ich mag ihn wirklich gern. Und jetzt ist er verletzt. Genau wie ich. Genau wie Sadie. Der reinste Scherbenhaufen.
»Das treibst du also hinter meinem Rücken!« Erschrocken zucke ich zusammen und greife mir an die Brust, als Sadie mir in die Ohren keift. Hat sie schon die ganze Zeit auf mich gewartet? »Du verlogene Schlange! Du hinterhältiges Biest! Ich bin hergekommen, um nachzusehen, wie es dir mit Josh ergeht. Mit Josh!«
Sie wirbelt vor mir herum, so weißglühend, dass ich vor ihr zurückweiche.
»Es tut mir leid«, stottere ich. »Tut mir leid, dass ich dich angelogen habe. Ich wollte nicht zugeben, dass Josh und ich nicht mehr zusammen sind. Aber ich bin kein hinterhältiges Biest! Es war keine Absicht, dass Ed und ich... dass wir uns geküsst haben. Ich wollte das nicht. Es war nicht geplant...«
»Ist mir egal, ob du es geplant hattest oder nicht!«, kreischt sie. »Lass die Finger von ihm!«
»Sadie, es tut mir wirklich leid...«
»Ich habe ihn gefunden! Ich habe mit ihm getanzt! Er gehört mir! Mir! Mir!«
Sie ist so selbstgerecht und wütend, und sie hört mir überhaupt nicht zu. Plötzlich spüre ich hinter meinen Schuldgefühlen einen Widerwillen.
»Wie kann er dir gehören?«, höre ich mich schreien. »Du bist tot! Hast du es immer noch nicht gemerkt? Du bist tot! Er weiß nicht mal, dass du existierst]«
»Doch, weiß er!« Sie kommt ganz nah an mein Gesicht heran, mit mörderischem Funkeln in den Augen. »Er kann mich hören!«
»Na und? Aber er wird dich ja wohl niemals zu Gesicht bekommen, oder? Du
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