Charlston Girl
Beispiel?«, sagt Natalie schneidend.
»Zum Beispiel Gedankenlesen!« Kate schwenkt die neueste Ausgabe von Business People. »Lara, das hast du ja gar nicht erzählt! Hier ist ein ganzer Artikel über deinen Auftritt, hinten auf den Klatschseiten! ›Lara Lington unterhielt die Gäste eine Stunde lang, indem sie deren Gedanken las. Die Veranstalter wurden mit Anfragen überhäuft, ob Miss Lington auch auf anderen Veranstaltungen auftreten könne. So was habe ich noch nie erlebt‹, sagte John Ciawley, Vorsitzender von Medway. »Lara Lington sollte ihre eigene Fernsehshow bekommen!«‹
»Gedankenlesen ?« Natalie ist baff.
»Das... das ist doch nur Spielerei.« Ich zucke mit den Schultern.
»Hier steht, du hättest die Gedanken von fünf Leuten gleichzeitig gelesen!«, sprudelt es aus Kate hervor. »Lara, du solltest in einer Talentshow auftreten! Du hast echt Talent!«
»Seit wann kannst du Gedanken lesen?« Natalies Augen werden schmal.
»Das werde ich dir ganz bestimmt nicht verraten. Und: Ja, vielleicht mache ich tatsächlich eine Show daraus«, füge ich trotzig hinzu. »Könnte gut laufen. Ich werde also vermutlich nicht auf der Straße enden. Danke der Nachfrage, Natalie.«
»Dann lies doch meine Gedanken, wenn du so talentiert bist!« Herausfordernd schiebt Natalie ihr Kinn vor. »Mach schon!«
»Nein, danke«, sage ich zuckersüß. »Ich möchte mir lieber nichts einfangen.«
Von Kate kommt ein leises Schnauben. Zum ersten Mal sieht Natalie aus, als sei sie geschlagen. Ich nehme meinen Karton, bevor ihr noch irgendetwas einfällt, und gehe zu Kate hinüber, um sie zu umarmen.
»Wiedersehen, Kate. Danke für alles. Du bist die Größte.«
»Viel Glück, Lara.« Sie drückt mich fest an sich und flüstert: »Du wirst mir fehlen.«
»Wiedersehen, Natalie«, füge ich kurz hinzu, als ich schon auf dem Weg zur Tür bin.
Ich mache sie auf und gehe den Flur entlang zum Fahrstuhl, drücke auf den Knopf, mit dem Karton in Händen. Ich bin etwas benommen. Was soll ich jetzt tun?
»Sadie?«, sage ich aus Gewohnheit. Aber es kommt keine Antwort. Natürlich nicht.
Der Fahrstuhl in unserem Gebäude ist alt und langsam und klappert gerade unten los, als ich hinter mir Schritte höre. Ich drehe mich um und sehe Kate, die atemlos angelaufen kommt.
»Lara, ich wollte dich noch was fragen, bevor du gehst«, sagt sie aufgeregt. »Brauchst du eine Assistentin?«
Oh mein Gott, ist sie süß! Sie ist wie dieses Mädchen in Jerry Maguire. Sie möchte mitkommen und den Goldfisch tragen. Wenn wir einen hätten.
»Also... ich weiß noch nicht, ob ich wieder eine Firma aufmache oder was, aber ich sag dir auf jeden Fall Bescheid...«
»Nein, für das Gedankenlesen «, unterbricht sie mich. »Brauchst du eine Assistentin für deine Tricks? Denn dazu hätte ich große Lust. Ich könnte ein Kostüm tragen. Und ich könnte jonglieren!«
»Jonglieren?«, wiederhole ich.
»Ja! Mit Beanbags! Ich könnte dein Vorprogramm sein!«
Sie sieht so begeistert aus, dass ich es nicht übers Herz bringe, ihre Hoffnungen zu zerstören. Ich bringe es einfach nicht übers Herz, zu sagen: »Ich kann gar nicht wirklich Gedanken lesen. Das ist alles nicht echt.«
Ich habe genug davon, dass keiner mich versteht. Ich wünschte, ich könnte mich mal mit jemandem hinsetzen und sagen: »Weißt du, da ist so ein Geist...«
»Kate, ich bin nicht sicher, ob das funktioniert.« Ich versuche, mir was einfallen zu lassen, damit die Enttäuschung nicht so groß ist. »Und außerdem... habe ich schon eine Assistentin.«
»Ach, wirklich?« Kates eifrige Miene wird lang. »Aber in dem Artikel stand gar nichts von einer Assistentin. Da stand, du hättest das alles ganz allein gemacht.«
»Sie war eher... hinter der Bühne. Sie wollte nicht gesehen werden.«
»Wer ist sie?«
»Sie ist... eine Verwandte«, sage ich schließlich.
Kates Miene wird immer länger. »Ach, so. Wahrscheinlich arbeitet ihr gut zusammen, wenn ihr verwandt seid...«
Ich nicke und beiße mir auf die Lippe. »Ich meine, wir hatten natürlich endlose Streite, bis wir so weit waren. Aber du weißt schon. Wir haben viel Zeit zusammen verbracht. Wir haben eine Menge durchgemacht. Wir sind... eng befreundet.«
Ich fühle einen Stich in meiner Brust, als ich das sage. Vielleicht waren wir eng befreundet. Ich weiß nicht, wie es jetzt ist. Und ganz plötzlich packt mich die Verzweiflung. Ich habe alles kaputt gemacht - das mit Sadie, mit Ed, mit Josh. Ich habe keine Firma mehr,
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