Charlston Girl
für dich die Kohlen aus dem Feuer holen. Das ist arrogant und unfair.«
»Hört, hört!«, stimmt Kate mit ein, dann schlägt sie die Hand vor den Mund, als wir beide herumfahren und sie anstarren.
»Dann kommst du wieder und brüstest dich mit einem Klienten, den ich gefunden habe! Das lasse ich mir nicht gefallen! Ich lasse mich nicht mehr so ausnutzen... ich kann nicht länger für dich arbeiten!«
Das Letzte war so nicht geplant. Aber da es schon mal raus ist, merke ich, dass ich es auch so meine. Ich kann nicht mit ihr zusammenarbeiten. Ich kann sie nicht mal mehr um mich haben. Sie tut mir nicht gut.
»Lara. Du bist nur etwas gestresst.« Humorvoll rollt sie mit den Augen. »Wieso nimmst du dir nicht den Rest des Tages frei...?«
»Ich brauche keinen freien Tag!«, explodiere ich. »Ich brauche Menschen, die ehrlich zu mir sind! Du hast mir verschwiegen, dass du bei deinem letzten Job gefeuert wurdest!«
»Ich bin nicht gefeuert worden.« Natalies Miene verfinstert sich. »Es beruhte auf Gegenseitigkeit. Das waren sowieso totale Arschlöcher, die meine Leistung nie richtig zu schätzen wussten...« Plötzlich scheint sie zu merken, wie sich das anhört. »Lara, jetzt komm schon! Wir beide werden noch ein tolles Team!«
»Werden wir nicht!« Ich schüttle den Kopf. »Natalie, ich denke nicht wie du! Ich arbeite nicht wie du! Ich möchte Menschen tolle Jobs vermitteln und sie nicht wie Frischfleisch behandeln. Es geht nicht immer alles nur um Kohle!« Aufgewühlt schnappe ich mir ihren dämlichen »Kohle, Kohle, Kohle«-Aufkleber von der Wand und versuche, ihn zu zerreißen, aber er bleibt dauernd an meinen Fingern kleben, so dass ich ihn am Ende zerknülle. »Es geht um die Kombination, den Menschen, die Firma... das große Ganze. Menschen zueinanderführen. Damit es für alle passt. So sollte es jedenfalls sein.«
Ich hoffe immer noch, dass ich vielleicht irgendwie zu ihr durchdringe. Doch ihr fassungsloser Gesichtsausdruck ändert sich keinen Deut.
»Menschen zueinanderführen!« Sie stößt ein abfälliges Lachen aus. »Erde an Lara! Das hier ist kein Institut für einsame Herzen!«
Sie wird mich nie verstehen. Und ich werde sie nie verstehen.
»Ich möchte unsere Partnerschaft auflösen«, sage ich entschlossen. »Es war ein Fehler. Ich spreche mit dem Anwalt.«
»Wenn du meinst.« Sie steht auf, geht um den Schreibtisch herum, lehnt sich großkotzig gegen die Tischplatte und verschränkt die Arme. »Aber du wirst mir keine Klienten abwerben. Das steht in unserer Vereinbarung. Bilde dir ja nicht ein, du könntest mich über den Tisch ziehen.«
»Im Traum nicht«, sage ich barsch.
»Dann geh!« Natalie zuckt mit den Schultern. »Räum deinen Schreibtisch. Tu, was du nicht lassen kannst.«
Ich werfe einen Blick zu Kate. Entgeistert starrt sie uns an.
»Tut mir leid«, sage ich lautlos. Als Antwort nimmt sie ihr Handy und simst etwas. Gleich darauf piept mein Handy, und ich hole es hervor.
Ich kann es dir nicht verdenken. Sagst du Bescheid, wenn du eine neue Firma aufmachst? Kx
Natürlich , simse ich zurück. Aber ich weiß noch nicht, was ich mache. Danke, Kate. L xx
Natalie hat sich wieder an ihren Schreibtisch gesetzt und tippt ostentativ auf ihren Computer ein, als wäre ich gar nicht da.
Mir ist etwas benommen zumute, als ich da so mitten im Büro stehe. Was habe ich gerade getan? Heute Morgen hatte ich eine Firma und eine Zukunft. Jetzt nicht mehr. Nie im Leben werde ich mein ganzes Geld von Natalie zurückbekommen. Was soll ich Mum und Dad erzählen?
Nein. Nicht dran denken.
Mir schnürt sich die Kehle zusammen, als ich in der Ecke einen Karton suche, das Druckerpapier herausnehme und meine Sachen einpacke. Meinen Locher. Meinen Federhalter.
»Aber wenn du meinst, du kannst dich selbständig machen und das Gleiche tun wie ich, dann täuschst du dich.« Urplötzlich legt Natalie los, rotiert auf ihrem Stuhl herum. »Du hast keine Kontakte. Du hast überhaupt keine Ahnung. Du mit deinem versponnenen ›Ich möchte den Menschen tolle Jobs verschaffen‹ und ›Du musst das große Ganze sehen‹. So macht man keine Geschäfte. Und glaub nicht, dass ich dir Arbeit gebe, wenn du auf der Straße sitzt.«
»Vielleicht bleibt Lara ja gar nicht in der Branche!«, wirft Kate vom anderen Ende des Büros her ein. »Vielleicht macht sie irgendwas völlig anderes! Sie hat noch mehr Talente.« Aufgeregt nickt sie mir zu, und leicht überrascht starre ich sie an. Habe ich mehr Talente?
»Zum
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