Charlston Girl
müsstest du dir die Haare schneiden...«
»Ich schneide mir die Haare nicht ab!« Entsetzt weiche ich zurück. »Und ich werde es nicht anprobieren!«
»Ich hab dir auch schon ein Paar passende Schuhe ausgesucht.« Eifrig huscht sie zu einem Regal und deutet auf ein Paar kleine, bronzefarbene Tanzschuhe. »Und das richtige Make-up.« Sie fährt zu einer gläsernen Vitrine herum und deutet auf ein Bakelit-Kästchen neben einem kleinen Schild, auf dem steht »Original zwanziger Jahre Make-up Set. Sehr selten«.
»Genau so ein Set hatte ich auch.« Sie betrachtet es liebevoll. »Das ist der beste Lippenstift, der je hergestellt wurde. Ich werde dir beibringen, wie man ihn richtig benutzt.«
Ach, du meine Güte.
»Danke, ich weiß, wie man Lippenstift aufträgt...«
»Du hast keine Ahnung«, fällt sie mir ins Wort. »Aber ich bring es dir bei. Und wir werden dein Haar ondulieren. Die verkaufen hier auch Brennscheren.« Sie zeigt auf einen alten Pappkarton, in dem ich mehrere seltsam anmutende, metallische Apparate sehe. »Du wirst so viel besser aussehen, wenn du dir etwas Mühe gibst.« Ihr Kopf fährt herum. »Wenn wir nur ein paar vernünftige Strümpfe für dich finden würden...«
»Sadie, hör auf damit!«, zische ich. »Du bist ja wohl verrückt geworden! Ich werde nichts von diesem Zeug kaufen...«
»Ich erinnere mich immer noch an diesen herrlichen Duft, wenn man sich für eine Party bereit machte.« Sie schließt die Augen, atmet still. »Lippenstift und versengte Haare...«
»Versengte Haare?«, quieke ich entsetzt. »Du wirst mir nicht die Haare anbrennen!«
»Stell dich nicht so an!«, sagt sie ungeduldig. »Wir haben es ja nur hin und wieder versengt.«
»Kommen Sie zurecht?« Norah taucht auf, mit baumelndem Bernstein, und ich zucke vor Schreck zusammen.
»Oh. Ja, danke.«
»Interessieren Sie sich besonders für die zwanziger Jahre?« Sie tritt an die gläserne Vitrine. »Wir haben hier ein paar wunderschöne Originalstücke. Ganz neu aus einer Auktion.«
»Ja.« Ich nicke höflich. »Die habe ich mir gerade angesehen.«
»Ich bin mir nicht sicher, wofür das hier war...« Sie nimmt ein mit Edelsteinen besetztes Tiegelchen heraus, das auf einem Ring befestigt ist. »Seltsames, kleines Ding, nicht? Ein Medaillon vielleicht?«
»Ein Rouge-Ring«, sagt Sadie und rollt mit den Augen. »Hat hier denn überhaupt keiner Ahnung von irgendwas?«
»Ich glaube, es ist ein Rouge-Ring«, sage ich so nebenbei.
»Ah!« Norah scheint beeindruckt. »Sie sind eine Expertin! Vielleicht wissen Sie, wie man diese alten Brennscheren benutzt.« Sie nimmt den metallenen Apparat hervor und wiegt ihn vorsichtig in der Hand. »Ich glaube, es gab da einen Trick. War leider vor meiner Zeit.«
»Es ist ganz einfach«, sagt mir Sadie ins Ohr. »Ich zeig es dir.«
An der Tür macht es ting , und zwei Mädchen kommen herein und ooohen und aaahen, als sie sich umsehen. »Der Laden ist ja scharf!«, höre ich die eine sagen.
»Entschuldigen Sie mich.« Norah lächelt. »Ich lasse Sie noch etwas stöbern. Wenn Sie was anprobieren möchten, sagen Sie nur Bescheid.«
»Mach ich.« Ich lächle sie an. »Danke.«
»Sag ihr, du möchtest das bronzefarbene Kleid anprobieren!« Sadie schiebt mich an. »Los jetzt!«
»Hör auf!«, zische ich, als die Frau gegangen ist. »Ich will es nicht anprobieren!«
Sadie wirkt ratlos. »Aber du musst es anprobieren. Was ist, wenn es nicht passt?«
»Ich muss es nicht, weil ich es nicht tragen werde!« Langsam reißt mir die Geduld. »Jetzt bleib mal auf dem Teppich! Wir leben im 21. Jahrhundert! Ich werde keinen antiken Lippenstift und auch keine Lockenschere benutzen! Ich werde kein Flapper-Kleid zu einem Date anziehen! Das wird nicht passieren!«
Einen Moment scheint es Sadie die Sprache verschlagen zu haben.
»Aber... du hast es versprochen.« Mit großen Augen starrt sie mich an. »Du hast versprochen, dass ich dein Kleid aussuchen darf.«
»Ich dachte, du meinst normale Sachen!«, sage ich verzweifelt. »Sachen aus diesem Jahrhundert! Nicht so was!« Ich nehme das Kleid und schwenke es vor ihrer Nase. »Das ist lächerlich! Das ist ein Karnevalskostüm!«
»Aber wenn du nicht das Kleid trägst, das ich aussuche, dann könnte es genauso gut gar nicht mein Date sein. Es könnte auch dein Date sein!« Sadies Stimme wird immer lauter. Ich merke, dass sie gleich wieder losschreit. »Da kann ich ja genauso gut zu Hause bleiben! Geh doch allein mit ihm aus!«
Ich seufze. »Hör
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