Charlston Girl
einen Hut!«
»Du könntest so einen Hut nicht tragen«, sagt Sadie selbstgefällig. »Du hast nicht die Wangenknochen dafür.«
»Na dann eben einen Hut, der mir steht.«
Sadies Augen werden groß vor Staunen. »Du willst im Ernst kaufen, was ich aussuche? Und es auch tragen?«
»Na klar! Mach schon! Geh shoppen!«
Sobald sie verschwunden ist, reiße ich meine Schreibtischschublade auf. Ich muss Sadies Kette finden. Sofort. Ich habe keine Zeit mehr zu verlieren. Ich nehme die Liste mit den Namen und reiße das hintere Blatt ab.
»Kate«, sage ich, als sie wieder ins Büro kommt. »Neuer Job. Wir versuchen, eine Halskette zu finden. Längliche Glasperlen mit einem Anhänger in Form einer Libelle. Irgendjemand von dieser Liste könnte sie bei einem Flohmarkt im Fairside Nursing Home gekauft haben. Würdest du diese Leute anrufen?«
Ihre Augen zucken kurz und überrascht, dann nimmt sie die Liste und nickt, ohne zu fragen, wie ein treuer Leutnant. »Na klar!«
Ich fahre mit dem Finger an den Namen entlang und wähle die nächste Nummer. Nach mehrmaligem Klingeln nimmt eine Frau ab.
»Hallo?«
»Hi! Mein Name ist Lara Lington. Sie kennen mich nicht...«
Zwei Stunden später lege ich den Hörer schließlich weg und blicke erschöpft zu Kate auf. »Irgendwas?«
»Nein.« Sie seufzt. »Tut mir leid. Und du?«
»Nichts.«
Ich lasse mich erschöpft auf meinem Stuhl zurückfallen und reibe meine rot telefonierten Ohren. Mein Adrenalin ist schon vor einer Stunde verpufft. Es ist eine Riesenenttäuschung. Wir haben alle Nummern probiert. Ich weiß nicht, was ich sonst noch tun könnte.
»Soll ich uns ein Sandwich holen?«, fragt Kate vorsichtig.
»Oh. Ja.« Ich bringe ein Lächeln zustande. »Huhn mit Avocado, bitte. Vielen Dank.«
»Kein Problem!« Bedrückt beißt sie auf ihre Unterlippe. »Ich hoffe, du findest sie.«
Als sie hinausgeht, lasse ich den Kopf hängen und reibe mir den schmerzenden Nacken. Ich werde einfach noch mal zu diesem Pflegeheim gehen und ein paar Fragen stellen müssen. Es muss noch andere Möglichkeiten geben. Es muss eine Antwort geben. Es ergibt einfach keinen Sinn. Die Kette war da, hing um Sadies Hals, und jetzt ist sie weg...
Plötzlich kommt mir ein Gedanke. Dieser Besucher, dieser Charles Reece. Die Spur habe ich nie verfolgt. Ich sollte jeden Stein umdrehen. Ich fische mein Handy aus der Tasche, finde die Nummer des Pflegeheims und wähle müde.
»Hallo, Fairside Nursing Home «, meldet sich eine weibliche Stimme.
»Hi! Hier ist Lara Lington, Sadie Lancasters Großnichte.«
»Oh, ja?«
»Ich hab gerade so überlegt... Könnte mir wohl jemand mehr über diesen Mann erzählen, der Sadie kurz vor ihrem Tod besucht hat? Ein gewisser Charles Reece.«
»Einen Moment, bitte.«
Während ich warte, hole ich die Zeichnung von der Kette hervor und suche nach irgendwelchen Hinweisen. Ich habe das Bild schon so oft betrachtet, dass ich praktisch jede Perle auswendig malen könnte. Je länger ich sie studiere, desto lieber mag ich sie. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass Sadie sie vielleicht nie mehr zurückbekommt.
Vielleicht sollte ich heimlich eine Kopie anfertigen lassen. Eine Replik. Das könnte doch klappen. Ich könnte Sadie sagen, es sei das Original. Vielleicht fällt sie darauf rein...
»Hallo?« Eine fröhliche Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. »Lara? Hier ist Sharon. Ich bin eine der Pflegeschwestern. Ich war bei Sadie, als Charles Reece sie besucht hat. Ich habe ihn sogar eingetragen. Was möchten Sie über ihn wissen?«
Ich möchte nur wissen, ob er ihre Kette hat.
»Also... was genau ist bei dem Besuch passiert?«
»Er hat eine Weile bei ihr gesessen, dann ist er gegangen. Das war‘s.«
»In ihrem Zimmer?«
»Oh, ja«, sagt sie sofort. »Sadie hat ihr Zimmer in den letzten Wochen kaum noch verlassen.«
»Verstehe. Und... könnte er ihr die Kette weggenommen haben?«
»Also, möglich wäre es.« Sie scheint ihre Zweifel zu haben.
Es wäre möglich. Das ist doch ein Anfang.
»Können Sie ihn mir beschreiben? Wie alt war er?«
»Zwischen fünfzig und sechzig, würde ich sagen. Gutaussehender Bursche.«
Das wird ja immer interessanter. Wer um alles in der Welt ist das? Sadies jugendlicher Liebhaber?
»Würden Sie es mich wissen lassen, falls er Sie noch mal besuchen oder anrufen sollte?« Eilig notiere ich »Charles Reece -fünfzig« auf meinen Block. »Und könnten Sie mir seine Adresse besorgen?«
»Kann ich versuchen. Ich kann aber nichts
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