Charlston Girl
Onkel sprechen. Allein. Fünf Minuten. Mehr nicht.«
Einen Moment ist Sarah ganz still. Noch immer lächelt sie aufgesetzt, doch ihr Blick schwenkt mehrmals zur Tür.
»Okay, Lara«, sagt sie schließlich. »Wir machen es, wie Sie möchten.«
Als sie sich zu mir setzt, tippt sie an ihr Headset, als müsste sie sich vergewissern, dass es funktioniert.
»Und... wie geht es Tante Trudy?«, sage ich beiläufig. »Ist sie hier?«
»Trudy ist für ein paar Tage im Haus in Frankreich«, sagt Sarah wie aus der Pistole geschossen.
»Und Diamanté? Vielleicht könnte ich einen schnellen Kaffee oder irgendwas mit ihr trinken.« Eigentlich möchte ich nicht ernstlich mit Diamanté Kaffee trinken. Ich möchte nur zeigen, wie friedlich und normal ich bin.
»Sie möchten Diamanté sehen?« Sarahs Blick wird immer gehetzter. »Jetzt?«
»Nur auf einen Kaffee und auch nur, falls sie in der Nähe ist...«
»Ich rufe ihre Assistentin.« Sie springt auf, hastet in die Ecke und murmelt in ihr Headset, dann kommt sie auf direktem Weg zurück in den Sitzbereich. »Leider ist Diamanté gerade bei der Maniküre. Sie sagt, vielleicht beim nächsten Mal?«
Ja, genau. Ihr Anruf wurde nicht mal durchgestellt. Eigentlich tut mir diese Sarah eher leid. Sie ist so nervös, als müsste sie einen Löwen hüten. Plötzlich spüre ich einen unwiderstehlichen Drang, »Hände hoch!« zu rufen, um zu sehen, wie schnell sie sich auf den Boden wirft.
»Ihr Armband gefällt mir«, sage ich stattdessen. »Sehr ungewöhnlich.«
»Oh, ja.« Skeptisch streckt sie den Arm aus und schüttelt zwei kleine Silberscheiben an einer Kette hervor. »Haben Sie die noch gar nicht gesehen? Die stammen aus dem neuen Zwei Kleine Münzen-Sortiment. Ab Januar nächsten Jahres steht in jedem Lingtons-Coffeeshop ein Ständer mit eigenen Produkten. Bill wird Ihnen sicher so ein Armband schenken. Es gibt auch einen Anhänger, und T-Shirts... Geschenksets mit zwei kleinen Münzen in einer Schatzkiste...«
»Hübsch«, sage ich höflich. »Scheint ja gut zu laufen.«
»Oh, Zwei Kleine Münzen wird riesig«, versichert sie mir ernst. »Riesig. Es wird eine genauso große Marke wie Lingtons. Sie wissen, dass es einen Hollywood-Film geben wird?«
»Mhhm.« Ich nicke. »Pierce Brosnan als Onkel Bill, habe ich gehört.«
»Und natürlich wird die Realityshow ein Riesenhit. Es ist eine so aufbauende Botschaft. Ich meine, jeder kann in Bills Fußstapfen treten.« Sarahs Augen leuchten, und sie scheint ganz vergessen zu haben, dass sie sich vor mir fürchtet. »Jeder kann zwei kleine Münzen nehmen und sich dazu entschließen, seine Zukunft in die Hand zu nehmen. Und man kann es auf Familien, Firmen, ganze Volkswirtschaften übertragen... Wissen Sie, viele wirklich einflussreiche Politiker haben Bill angerufen, seit das Buch herauskam. Die fragen ihn, wie sie sein Geheimnis auf ihr Land übertragen können.« Ehrfürchtig senkt sie die Stimme. »Sogar der amerikanische Präsident.«
»Der Präsident hat bei Onkel Bill angerufen?« Mir fehlen die Worte.
»Seine Leute.« Sie zuckt mit den Achseln und schüttelt ihr Armband. »Wir finden alle, Bill sollte selbst in die Politik gehen. Er hat der Welt so viel zu bieten. Es ist ein solches Privileg, für ihn zu arbeiten.«
Sie hat sich dem Kult vollständig unterworfen. Ich sehe zu Sadie hinüber, die während Sarahs Vortrag gegähnt hat.
»Ich guck mich mal um«, verkündet sie, und bevor ich was sagen kann, ist sie verschwunden.
»Okay.« Sarah lauscht ihrem Headset. »Wir kommen. Bill kann Sie jetzt empfangen, Lara.«
Sie steht auf und winkt mir, ihr zu folgen. Wir kommen durch einen Korridor, der mit etwas behängt ist, das verdächtig nach echten Picassos aussieht, dann warten wir in einem weiteren, kleinen Empfangsbereich. Ich zupfe an meinem Rock und hole ein paar Mal tief Luft. Es ist doch lächerlich, nervös zu sein. Ich meine, er ist mein Onkel. Ich habe alles Recht der Welt, ihn zu besuchen. Es gibt überhaupt keinen Grund, nicht entspannt zu sein...
Ich kann nicht anders. Meine Beine sind butterweich.
Ich glaube, es liegt daran, dass die Türen so groß sind. Es sind keine normalen Türen. Sie reichen bis zur Decke, riesige Dinger aus hellem, poliertem Holz, die hin und wieder lautlos aufschwingen, wenn Leute ein und aus gehen.
»Ist das Onkel Bills Büro?« Ich nicke Richtung Tür.
»Das ist das Vorzimmer.« Sarah lächelt. »Sein Büro schließt sich daran an.« Wieder lauscht sie ihrem Ohrhörer,
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